Altn Adolphmenzel Eisenwalzwerk Ausschnitt Minimum

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Eisenwalzwerk (Moderne Cyklopen), 1872 – 1875

Brandaktuell

Das Thema des Bildes ist für die Zeitgenossen Menzels höchst aktuell, denn die Industrialisierung Deutschlands wird nach dem Sieg über Frankreich im Krieg von 1870/71 durch immense Reparationszahlungen des unterlegenen Nachbarn noch beschleunigt. Gerade die Montanindustrie, also Bergbau und rohstoffverarbeitende Schwerindustrie, steht für den Aufstieg und den zunehmenden Wohlstand Deutschlands.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Eisenwalzwerk (Moderne Cyklopen), 1872 – 1875

Recherche vor Ort

Im Spätsommer 1872 hält sich Menzel mehrere Wochen lang in einem der damals größten und modernsten Walzwerke Deutschlands auf, der Vereinigten Königs- und Laurahütte AG im oberschlesischen Königshütte. In zahlreichen Studien und Skizzen hält er die Bewegungen der Arbeiter sowie die Formen der Maschinen und Werkzeuge fest. Seine Eindrücke ergänzt er bei Besuchen in Berliner Betrieben und durch die Lektüre von Ingenieurliteratur.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Eisenwalzwerk (Moderne Cyklopen), 1872 – 1875

Raum für Dramatik

Die Elemente seiner Studien überträgt der Künstler Stück für Stück in das Gemälde. Menzel hat Erfahrung darin, große Gruppenszenen zu komponieren. Die figurenreiche Darstellung der Belegschaft eines Eisenwalzwerks zeigt diese gestalterische Erfahrung. Es ist eine kraftvolle Demonstration moderner Industriearbeit. In dampferfüllter Dämmerung mischen sich flackerndes Glutlicht und bizarre Schatten zu einem dämonischen Schauspiel des Ringens von Mensch und Maschine. Die komplizierte Abfolge der Arbeitsschritte verdeutlicht die Abhängigkeit der Arbeiter von der mächtigen Maschinerie des Walzwerks.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Eisenwalzwerk (Moderne Cyklopen), 1872 – 1875

Schwerstarbeit

Ein glühendes Eisenstück ist soeben aus dem Ofen des Walzwerks herangekarrt worden. Links stemmen zwei Männer mit ihren hochgekrempelten Ärmeln die Deichsel des Handwagens in die Höhe. Mit großen Zangen arbeiten zwei weitere an dem heißen Metall. Das Bild lebt optisch von dem Feuerschein des glühenden Eisens als zentraler Lichtquelle. Von den unter schwerster körperlicher Arbeit gekrümmten Körpern geht eine Dynamik aus, die von den vielen Schwungrädern aufgegriffen wird.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Eisenwalzwerk (Moderne Cyklopen), 1872 – 1875

Ein sozialkritisches Werk?

Bildmotive aus der sich entwickelnden Industrie gehören zum Spätwerk Menzels. Er ist aber weniger daran interessiert, Kritik an der sozialen Lage der Arbeiter zu üben, als vielmehr daran, seine Fähigkeiten in der Wiedergabe des Fabrikationsablaufs und der beteiligten Arbeitergruppen im Alltag herauszustellen. Der Alternativtitel „Moderne Cyklopen“ verbindet Tradition und Fortschritt und steht für die unheimliche Atmosphäre des neu aufkommenden Arbeitslebens in der Industrie.