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Arnold Böcklin (1827 – 1901)

Die Toteninsel, 1883

Der Ort des Todes

Der Kahn mit der weiß umhüllten Gestalt, die hinter einem Sarg steht, führt den Betrachter optisch zu dem auf spiegelglatter Wasserfläche aufragenden Inselbezirk. Hier handelt es sich um einen Friedhof: Grabkammern sind in den Felsen gehauen. Der dargestellte Ort wirkt unheimlich, die Treppe, an der die rätselhafte Totenbarke anlegen wird, führt den Blick in undurchdringliche Dunkelheit.

Arnold Böcklin (1827 – 1901)

Die Toteninsel, 1883

Sehnsucht und Entrückung

Böcklin stellt die ewige Ruhestätte kulissenhaft und mit hoher Symmetrie dar. Die hohen Felsmauern, die senkrecht aufragenden Zypressen und das magische Gegenlicht erzeugen eine Atmosphäre des Feierlich-Erhabenen; gleichzeitig weckt die Komposition ein Gefühl von Stille und Entrückung. Ist dieser Ort ein Sehnsuchtsziel, an dem das Leben seine feierliche Erfüllung findet?

Arnold Böcklin (1827 – 1901)

Die Toteninsel, 1883

Italienische Erinnerungen

Den Herbst 1879 verbringt Arnold Böcklin auf Ischia. Zu den optischen Eindrücken dieser Reise gehört das auf einer kleinen Insel vorgelagerte Castello Aragonese. Als er im Frühjahr 1880 von der jung verwitweten Marie Berna bei einem Atelierbesuch in Florenz um ein ‚Bild zum Träumen‘ gebeten wird, mag ihm das Motiv dieser Festung erneut vor Augen stehen. In seiner Erinnerung verbindet es sich mit anderen Eindrücken, etwa mit denen der Toteninseln wie San Michele in Venedig oder von in Felsen gehauenen etruskischen Begräbnis- und Weihestätten, sogenannten Nekropolen.

Arnold Böcklin (1827 – 1901)

Die Toteninsel, 1883

Fin de siècle

Böcklins „Toteninsel“ aus dem Bestand der Nationalgalerie ist die dritte von fünf Fassungen des Themas. Der Kunsthändler Fritz Gurlitt gibt sie 1883 in Auftrag. Er ist es auch, der dem Gemälde vermeintlich seinen einprägsamen Namen verleiht. Und geschäftstüchtig beauftragt er Max Klinger, eine Radierung nach dem Werk anzufertigen. Die druckgraphische Verbreitung dieser Radierung begründet den außerordentlichen Ruhm des Bildes im späten 19. Jahrhundert. Die „Toteninsel“ spiegelt das melancholische Lebensgefühl einer gesamten Epoche wider, des „Fin de siècle“. Es wird zu ihrem Lieblingsbild.

Arnold Böcklin (1827 – 1901)

Die Toteninsel, 1883

Der Tod als ständiger Begleiter

Das Bild der Toteninsel zeigt mit großem Gespür die morbide Stimmung des späten neunzehnten Jahrhunderts. Das Ende einer Ära liegt in der Luft. Der Schweizer Arnold Böcklin beschäftigt sich vielleicht schon deshalb immer wieder mit diesem Sujet. Doch es mag auch an seiner Lebensgeschichte liegen. Der Tod wird ihm im Laufe seines Malerdaseins ein allgegenwärtiger Begleiter; wie Krankheit und Sterben den meisten Bürgern des neunzehnten Jahrhunderts insgesamt viel enger vertraut waren als heute. Als jüngerer Mann erkrankt Böcklin lebensbedrohlich an Typhus. Später, mit über sechzig, erleidet er einen Schlaganfall. Acht seiner vierzehn Kinder muss er beerdigen.