Altn Edouardmanet Wintergarten Ausschnitt Minimum

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Spannungsreiche Beziehung

Madame trägt ein feines graues Ausgehkleid mit dezent harmonisierendem gelbem Hut und Schirm. Monsieur Guillemet ist in dunklem Gehrock und sommerlich heller Hose gekleidet. Beide scheinen einen intimen Moment innigen Beisammenseins zu genießen. Doch sie schauen aneinander vorbei. Der Blick der Frau ist auch nicht, wie in vielen anderen Bildern Manets, dem Betrachter zugewandt.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Komplizierte Verbindung

Manet deutet die Beziehung der beiden auch durch die in den Mittelpunkt des Bildes gerückte Gestik: Sie hat den Handschuh abgestreift und ihre zarte Hand ruht nahe der seinen auf der Banklehne. Sein ausgestreckter Zeigefinger hält eine Zigarre und weist so eher zufällig in ihre Richtung. Wie um einen Kreis zu schließen, sind die Falten ihres Rocks auf der Bank in seine Richtung aufgefächert, die Schirmspitze scheint eher in seine Richtung zu stechen und auch die Zigarre verhindert jede Berührung.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Skandalös

Die subtile Analyse der Beziehung zwischen Mann und Frau wurde von manchen Betrachtern der Zeit als skandalös empfunden. Sie vermuteten anstößige Motive, auch angeregt von der exotischen Vegetation im Hintergrund. Denn in zahlreichen Romanen der Zeit ist der Wintergarten mit seinen südlich üppigen Pflanzen Schauplatz erotischer Situationen. Selbst 1904 wird das Bild im preußischen Abgeordnetenhaus noch als anzüglich und damit unsittlich angegriffen.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Freunde des Künstlers

Dargestellt sind Freunde Manets, das Ehepaar Guillemet, sie besitzen ein elegantes Modegeschäft in der Pariser Rue Saint-Honoré. Manet malt sie in dem als Treibhaus ausgestatteten Atelier des Malers Georg von Rosen, welches er zu jener Zeit benutzt. Im Januar zuvor war ihm sein Atelier gekündigt worden, nachdem Nachbarn gegen seine Privatausstellung zweier von der Jury des Pariser Salons abgelehnter Bilder protestiert hatten.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Ein Pariser Flaneur

Der Maler Édouard Manet liebt es, elegant gekleidet durch die Pariser Straßen zu schlendern und in den Cafés über Malerei und Literatur zu diskutieren. Er ist ein Mann von Welt, der sich Müßiggang leisten kann. Kurz: ein Flaneur in den Pariser Künstlerkreisen. Diese lässige Eleganz spiegelt sich auch im Doppelportrait des feingekleideten Ehepaars Guillemet wider.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Offizielle Ablehnung

Dass eines seiner Bilder als skandalös empfunden wird, ist keinesfalls eine Ausnahme für Manet. Wie viele andere avantgardistische Künstler wird er regelmäßig vom Salon de Paris, einer der bedeutendsten Kunstausstellungen seiner Zeit, abgelehnt. Dagegen findet er im „Salon des Refusés“ („Salon der Zurückgewiesenen“), der heute als einer der prägendsten modernen Kunstausstellungen gilt, einen Platz.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Mutiger Ankauf

Manets Werk fügt sich in eine Gruppe von impressionistischen Kunstwerken, die der 1896 zum Direktor berufene Hugo von Tschudi für die Nationalgalerie noch in seinem Antrittsjahr – bei einem gemeinsamen Besuch mit Max Liebermann in Paris – erwirbt. Das Bild ist der Höhepunkt einer Ausstellung seiner Neuerwerbungen der französischen Avantgarde. Die Werke lösen in Berlin jedoch heftige Diskussionen aus. Kaiser Wilhelm II. entscheidet, dass fortan alle Neuzugänge zur Sammlung von ihm persönlich genehmigt werden müssen.

Édouard Manet (1832 - 1883)

Im Wintergarten, 1878/79

Die Schönheit des Augenblicks

Manet erfährt in Künstlerkreisen zwar große Bewunderung, von offizieller Seite jedoch vor allem Ablehnung. Es ist daher bemerkenswert, dass der erste Ankauf eines Werkes von einer staatlichen Institution nur etwa 15 Jahre nach seinem Tod durch die Nationalgalerie erfolgt. Der „Wintergarten“ ist eines jener impressionistischen Werke, die Tschudi während seiner kurzen Amtszeit als Direktor in Berlin erwirbt. Doch diese hellen, den Alltag, das Licht, die Luft und die Schönheit des Augenblicks wiedergebenden Bilder gefallen nicht jedem – vor allem dem Kaiser nicht, der Tschudi 1908 entlässt.