
Öl auf Leinwand
95 x 140,6 cm
© Foto: Alte Nationalgalerie / Andres Kilger
Mittelalterliche Stadt an einem Fluß, 1815
Die Gotik als nationaler Baustil
Die hochgotische, detailreich gegliederte Architektur erinnert an die Kathedralen von Reims und Straßburg, vor allem aber an den damals im Bau befindlichen Kölner Dom. Die Spitze des nördlichen Fassadenturmes ist noch unvollendet, auf dem Baugerüst weht eine weiße Fahne mit Reichsadler. Für Schinkel wird der gotische Baustil, den er für einen deutschen hält, zum verklärten Symbol der ersehnten nationalen Einheit und Stärke.
Mittelalterliche Stadt an einem Fluß, 1815
Dramatische Landschaft
Der Künstler bettet seinen architektonischen Traum mit dramatischer Lichtführung in eine stark atmosphärisch aufgeladene Landschaft. Ein Regenbogen spannt sich von der Pfalz zur Linken über den Kathedralbau hinweg zur mittelalterlichen Stadt nach rechts. Die sonnenbeschienene Westfassade des Doms setzt sich vor dem dunklen Gewitterhimmel ab.
Mittelalterliche Stadt an einem Fluß, 1815
Der Blick in die Vergangenheit
Preußen erhebt sich zwischen 1813 und 1815 gegen die französische Fremdherrschaft. Es kommt die Hoffnung auf, dass die Freiheitsbewegung auch zur Bildung einer aufgeklärten deutschen Nation führen würde. Für dieses Ideal einer gesellschaftlichen Erneuerung finden die Künstler der Romantik das einende historische Fundament im deutschen Mittelalter. Dafür steht der mittelalterliche Baustil von Kathedrale und Stadt im Hintergrund.
Mittelalterliche Stadt an einem Fluß, 1815
Ein siegreicher König hält Einzug
Schinkel verknüpft das Motiv eines noch zu vollendenden Baus mit dem festlichen Einzug eines Herrschers in seine Residenz. Herbeilaufendes Volk begrüßt freudig den Fürsten. Die Szene wird als Gleichnis auf die siegreiche Rückkehr des preußischen Königs Friedrich Wilhelms III. aus den Napoleonischen Kriegen gedeutet.
Mittelalterliche Stadt an einem Fluß, 1815
Bilderpaar

Für sein Gemälde „Mittelalterliche Stadt an einem Fluss“ malt Schinkel im gleichen Jahr das Pendant „Griechische Stadt am Meer“ – das Werk gehört bis zum Zweiten Weltkrieg ebenfalls zum Bestand der Nationalgalerie, es geht jedoch im Krieg verloren. Mit dieser Gegenüberstellung betont der Künstler, dass für ihn das Vorbild des Mittelalters ohne die Orientierung am Leitbild der Antike unvollständig ist.