Altn Victormueller Schneewittchen Ausschnitt Minimum

Victor Müller (1830 – 1871)

Schneewittchen, um 1862

Schneewittchen

Die atmosphärische Darstellung Schneewittchens, das auf die sieben vor ihr auf der Wiese tanzenden Zwerge blickt, ist die Umsetzung einer Bildidee, die so im Märchen nicht vorkommt. Schneewittchen ist, im Gegensatz zur Gestalt im Märchen der Gebrüder Grimm, blond, insgesamt hell und ätherisch. Trotz des schwingenden Rockes macht sie einen eher ruhigen Eindruck. Sie scheint gelassen und leicht amüsiert auf das Treiben zu ihren Füßen zu schauen.

Victor Müller (1830 – 1871)

Schneewittchen, um 1862

Die Sieben Zwerge

In krassem Gegensatz zur Lichtgestalt Schneewittchens sind die wild tanzenden, ihr zugewandten Zwerge in dunklen Farbtönen gehalten, ihre Gesichter liegen fast alle im Schatten. Schneewittchen, mit beiden Händen ihr Kleid leicht schürzend, schaut freundlich und interessiert auf die kleinen Personen herunter, als nähme sie ihren lebhaften Tanz als kuriose Huldigung entgegen.

Victor Müller (1830 – 1871)

Schneewittchen, um 1862

Freundin als Inspiration

Die Figur scheint von der befreundeten Malschülerin Bertha Gerson beeinflusst, wenn nicht gar inspiriert zu sein. Der Künstler hält sie 1863 in einem Bildnis fest, das heute zur Sammlung des Städel Museum in Frankfurt am Main gehört. Wie die junge Bertha Gerson trägt Schneewittchen ein hochmodisches, helles Kleid mit dunklen Bändern und Paspeln.

Victor Müller (1830 – 1871)

Schneewittchen, um 1862

Das "poetische Bild"

Die vorliegende Studie wird der Nationalgalerie 1903 von dem Maler Wilhelm Trübner geschenkt. Lovis Corinth hat diese Version als das poetischste Bild, welches er kenne, bezeichnet (L. Corinth, Gesammelte Schriften, Berlin 1920, S. 85). Er meint sicher das Offene, Vieldeutige der Bildidee. Eine zweite, etwas kleinere, aber malerisch ausgeführtere Version befindet sich im Städel Museum, Frankfurt am Main.

Victor Müller (1830 – 1871)

Schneewittchen, um 1862

Französische Vorbilder

Die Malerei des mit 41 Jahren verstorbenen Victor Müller ist vor allem durch französische Vorbilder geprägt. Er wächst in Frankfurt auf und studiert an dem Städelschen Kunstinstitut. Ab Ende der 1840er Jahre zieht es ihn auf Wanderschaft, unter anderem nach Antwerpen und Paris. In der französischen Hauptstadt tritt er 1852 in das Atelier von Thomas Couture ein; seine Mitschüler sind dort sowohl Anselm Feuerbach als auch Édouard Manet. In Paris begegnet er zudem Gustave Courbet, der ihn am nachhaltigsten beeinflusst und dessen Erfolg in Deutschland er mit vorantreibt. 1858/59 verbringt Courbet mehrere Monate in Müllers Heimatstadt Frankfurt a.M., zeitweise teilen sich beide Maler ein Atelier.