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Pieter de Hooch (1629 – 1684)

Der Liebesbote, um 1670

Die junge Frau

Eine vornehm gekleidete junge Frau empfängt einen Mann an der Tür. Mit der rechten Hand hebt sie ihr reich verziertes Seidenkleid an, während sie auf dem anderen ihr Schoßhündchen hält. In abwartender Haltung, mit vor Aufregung und Verlegenheit geröteten Wangen, steht sie dem Boten gegenüber und wartet darauf, dass er ihr den Brief überreicht. Zu ihren Füssen sitzt ein weiterer Hund, ein Wachhund, der den Fremden anknurrt. Warnt er sein Frauchen womöglich vor einem Ehebruch?

Pieter de Hooch (1629 – 1684)

Der Liebesbote, um 1670

Der Brief

Wie der zurückgeschobene Stuhl andeutet, hat die junge Frau ihr Musikspiel im Hinterzimmer unterbrochen, um den Brief des Boten an der Eingangstür in Empfang zu nehmen. Das Verfassen, Lesen und Empfangen stilvoller Briefe in schöner Kalligraphie ist zentrales Thema der damaligen holländischen Gesellschaft. Zahlreiche Handbücher befassen sich mit der neuen Kultur des Briefeschreibens. Dass die junge Frau sowohl ein Instrument spielen, als auch lesen kann, zeugt von ihrer Bildung und Herkunft aus höheren Kreisen.

Pieter de Hooch (1629 – 1684)

Der Liebesbote, um 1670

Ist er nur der Bote?

Ein vornehm gekleideter Mann betritt durch die offene Tür die Diele eines Bürgerhauses und überreicht der jungen Frau mit gesenktem Kopf einen Brief. Doch wer ist der Überbringer? Erst auf den zweiten Blick erkennt man den einfachen Boten. Er trägt billige Wickelgamaschen und ein grob-gewebtes Leinenhemd. Auch seine langen, zotteligen Haare vermitteln seinen niederen Stand. Allein die teure, über die Schultern geworfene blaue Jacke mit den Goldspitzen irritiert auf den ersten Blick. Sie ist nur das Erkennungszeichen für die junge Frau und gehört dem eigentlichen Verfasser des Briefes.

Pieter de Hooch (1629 – 1684)

Der Liebesbote, um 1670

Das sprechende Motiv

Das Bild im Bild ist ein in der holländischen Genremalerei verbreitetes Motiv, um die oftmals versteckte Aussage des Gemäldes offenzulegen. Hier wird ein Ausschnitt der biblischen Erzählung von Lot und seinen Töchtern gezeigt, die ihren alten Vater betrunken machen, um durch die von ihm empfangene Nachkommenschaft den Fortbestand der Familie zu sichern. Die erotische Anspielung gibt in diesem Zusammenhang einen Hinweis darauf, dass der vermeintlich einfache Brief eigentlich ein Liebesbrief ist. Der Türöffner in Form eines Phallus verstärkt die moralisierende Deutung der Szene.

Pieter de Hooch (1629 – 1684)

Der Liebesbote, um 1670

Außen- und Innenwelt

Wie ein Türschild hat Pieter de Hooch seine Signatur in die Türlaibung gesetzt. Geöffnete Türen sind, ebenso wie geöffnete Fenster, Schnittstellen von privater und öffentlicher Welt. Mit dem Brief gelangt eine Botschaft aus der Außenwelt in die ruhige, geordnete Häuslichkeit. Der Maler gibt der Architektur des Wohnhauses eine prominente Rolle: der raffiniert verschachtelte Innenraum erweckt die Illusion von Großzügigkeit. Das hell einfallende Tageslicht kontrastiert mit dem gedämpften Licht der Innenräume. Selbstbewusst setzt sich das Bürgertum der Zeit in seinen privaten Wohnräumen in Szene.

Pieter de Hooch (1629 – 1684)

Der Liebesbote, um 1670

Genremalerei

Wie der Titel verrät, geht es um die Überbringung einer wohl heimlichen Liebesbotschaft, nicht um das Porträt einer bestimmten Person. ‚Der Liebesbote‘ ist ein Beispiel für Genremalerei. Besonders beliebt in der flämischen Malerei dieser Zeit, dient sie dazu, die Wertvorstellungen der gehobenen Gesellschaft zu reflektieren und moralische Kritik zu üben.