Öl auf Eichenholz
113,2 x 112,9 cm
© Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe der Stiftung Siegfried Wedells
/ Foto: Elke Walford
Flora, 1559
Weibliche Verführungskraft
1549 hält sich Massys in Italien auf.
Vermutlich lässt er sich dort von Darstellungen des liegenden weiblichen Aktes inspirieren,
der damals vor allem in der venezianischen Malerei sehr beliebt ist. Flora ruht mit
übereinandergeschlagenen Beinen auf einer Steinbank im Garten einer herrschaftlichen
Landvilla. Sie trägt ein transparentes Gewand, unter dem ihre Alabasterhaut
durchschimmert.
Flora, 1559
Hinweis auf die Identität
Die literarische Vorlage für die Darstellung kommt aus den Erzählungen aus Ovids „Festkalender“. Darin berichtet der antike römische Autor von einer Liebesgeschichte, an deren Ende der Westwind Zephyr Flora zu seiner Frau nimmt. Sie steht stellvertretend für Schönheit, Jugend und Frühling, hütet die Gärten und Felder und symbolisiert die Fruchtbarkeit. So sind die Blumen in dem weißen Tuch, das Flora in ihrer linken Hand hält, nicht nur Accessoires. Vielmehr geben sie Auskunft über ihre Identität.
Flora, 1559
Der Held Antwerpens
Auf der Brüstung am linken Bildrand steht eine kleine Skulptur. Sie zeigt den sagenumwobenen Schutzpatron Antwerpens, Silvius Brabo. Er stützt sich mit der linken Hand auf das Wappen der Stadt. Der Sage nach hat Brabo einst einen Riesen im Kampf besiegt, der am Ufer der Schelde von den vorbeifahrenden Schiffern Wegzoll verlangte. Konnten sie den Zoll nicht bezahlen, hackte er ihnen die rechte Hand ab. Der Name der Stadt Antwerpen soll der Überlieferung nach von diesem Ereignis, dem „Hand werfen“ herrühren.
Flora, 1559
Die Willkommensgeste
Die Göttin der Blumen hält in der rechten Hand einladend und mit gespreizten Fingern drei Nelken. Die Farben Weiß, Rot und Rot-Weiß symbolisieren die Farbkombination, die sich im Stadtwappen Antwerpens wiederfindet.
Flora, 1559
Metropole im Hintergrund
Im Hintergrund zeichnet sich die historisch exakt wiedergegebene Silhouette Antwerpens ab. Die Metropole an der Schelde ist im 16. Jahrhundert ein florierendes Wirtschafts-, Handels- und Kunstzentrum und vom jahrelangen Freiheitskrieg getroffen. Vermutlich gibt damals der Kreis um den Antwerpener Bankier und Stadtrat Antoon van Stralen das Gemälde in Auftrag. Massys stellt es 1559 fertig. Das Jahr in dem der Niederländisch-Französische Krieg zu Ende geht. Damit verheißt Flora Hoffnung auf neuen Aufschwung, Blüte und Wohlstand für die Hafenstadt.
Flora, 1559
Versteckte Kritik
Der Pfau auf der Brüstung neben der Skulptur des Stadtpatrons ist ein ambivalentes Tier. Einerseits steht es für Eitelkeit, Hochmut und ist als Kritik an Selbstdarstellung zu verstehen. Andererseits verweist er auch auf partnerschaftliche Eintracht, das eheliche Treueversprechen. Und ist, wie hier in Massys Werk vermutlich auch, als Wächter der Tugend zu sehen.
Flora, 1559
Edle Malerei
Über Floras Hüften ist ein rotes Tuch drapiert, dessen Saum mit Blumenornamenten reich bestickt ist. Der makellose, marmorhafte Körper der Göttin ähnelt einer Skulptur, vermutlich eine Anspielung auf den im 16. Jahrhundert zentralen Wettstreit zwischen Malerei und Skulptur, Paragone genannt. Welche Kunstgattung ist die edlere? Massys bezieht hier eindeutig Stellung für die Malerei.