Ham Lucas Cranach D J  Caritas Minimum

Lucas Cranach der Jüngere (1515 - 1586)

Caritas, um 1537

Nächstenliebe

Im neuen Testament ist die Gottes- und Nächstenliebe, lateinisch „caritas“, die wichtigste theologische Tugend. Weitere Tugenden sind „fides“ und „spes“, Glaube und Hoffnung. Dieses Thema ist insbesondere unter dem Eindruck Martin Luthers Reform so zentral, dass Lucas Cranach der Jüngere und seine Mitarbeiter seit 1529 davon elf unterschiedliche Fassungen anfertigen. Unübersehbar ist der Titel mit der Inschrift „Caritas“ in den Baumstamm rechts über der stillenden Mutter geritzt.

Lucas Cranach der Jüngere (1515 - 1586)

Caritas, um 1537

Unverwechselbare Signatur

Eine Schlange mit Fledermausflügeln ist gut sichtbar auf dem Baumstamm zu sehen. Es ist das Familienwappen, das Cranach der Jüngere als Markenzeichen und Gütesiegel seiner Werkstatt verwendet. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen verleiht es 1508 an Lucas Cranach den Älteren für dessen Verdienste. Sein Sohn führt nach dem Tod des Vaters 1553 die Cranach-Werkstatt weiter und setzt die Tradition fort.

Lucas Cranach der Jüngere (1515 - 1586)

Caritas, um 1537

Mutterliebe

Die stillende Mutter, die ihrem Kind selbstlos Nahrung gibt, ist in der Kunst schon seit dem 14. Jahrhundert Sinnbild der christlichen Nächstenliebe. Auch für Martin Luther ist die bedingungslose Mutterliebe als Symbol der christlichen Nächstenliebe vorbildhaft. Allerdings sieht er die Nächstenliebe nicht an gute Taten gebunden, sondern einfach als Folge des Glaubens an die Erlösung durch Christus.

Lucas Cranach der Jüngere (1515 - 1586)

Caritas, um 1537

Apfelbaum

Die Äpfel können als Liebesgaben der Caritas verstanden werden. Sie ernähren nicht nur den Säugling an der Brust, sondern alle Christenkinder mit dem schmackhaften Obst. Im Sinne der neutestamentarischen Nächstenliebe ist es die freigiebige, von Gott geschaffene Natur, die jedem ihre Früchte darbietet. Martin Luther sieht die Heilige Schrift als eine Art Obstbaum, der dem Frommen den Glauben und damit bildhaft die Früchte des Glaubens als Gottesgaben zur Ernte anbietet. Das Kind, das versucht mit einem Stock einen Apfel vom Baum zu holen, steht für eine weitere Tugend: die Stärke, lateinisch „fortitudo“.

Lucas Cranach der Jüngere (1515 - 1586)

Caritas, um 1537

Paradies und Zivilisation

Eine hohe Hecke umschließt die Szene und schafft einen geschlossenen Garten. Besonders in der Mariensymbolik spielt dieser als „Hortus Conclusus“ bezeichnete Raum eine wichtige Rolle. Die Nacktheit der Figuren verweist auf das Paradies. Somit grenzt sich dieser Bereich klar ab von der zivilisierten Welt, hier dargestellt durch die Stadtansicht mit der Burg.