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Adolph Menzel (1815 – 1905)

Atelierwand, 1872

Weiblicher Torso

Im Zentrum der Darstellung befindet sich der Gipsabguss eines weiblichen Torsos. In helles Licht getaucht, zieht der Oberkörper unsere Aufmerksamkeit unmittelbar auf sich. Er erinnert an die berühmte Venus von Milo und lässt sich als Anspielung auf die Skulptur der Antike lesen, die an den Kunstakademien der damaligen Zeit noch allgegenwärtig war. Der betont ausschnitthafte Charakter der „Atelierwand“ verdeutlicht uns Menzels unmittelbaren Zugriff auf die Wirklichkeit. Zugleich weist die Lichtinszenierung über die sichtbare Ebene hinaus.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Atelierwand, 1872

Männlicher Torso

Rechts neben dem weiblichen Torso ist das männliche Pendant zu sehen. Von unten scharf beleuchtet, wirkt der muskulöse, gipserne Torso fast lebendig. Er erinnert an die zentrale Figur der antiken „Laokoon-Gruppe“. Diese Skulptur stellt den, aus der griechischen und römischen Mythologie überlieferten, Todeskampf eines trojanischen Priesters und seiner Söhne dar. Das Werk hat bereits in hellenistischer Zeit einen besonderen Ruf. Nach seiner Wiederentdeckung 1506 ist die Kunst der italienischen Renaissance stark von der „Laokoon-Gruppe“ beeinflusst. Insbesondere Michelangelo dient sie als Vorbild.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Atelierwand, 1872

Die Totenmaske von Friedrich Eggers

Den Gegenpol zu den Torsi, die das Ideal der antiken Kunst verkörpern, bilden die Totenmasken. Sie fungieren als Ausweis gesteigerter Individualität und Naturnähe. Unmittelbar links des weiblichen Torsos hängt die Totenmaske von Friedrich Eggers, einem mit Menzel eng befreundeten Kunsthistoriker. Mehrfach besucht er damals den Künstler in dessen wechselnden Berliner Ateliers und äußert sich 1854 sogar explizit in einem Artikel im Dresdner Kunstblatt über Menzels umfangreiche Sammlung an Totenmasken und Gipsabgüssen. Menzel lässt sich für seine „Atelierwand“ wohl von der Realität des eigenen Ateliers inspirieren, das sich zur Entstehungszeit 1872 in der Potsdamer Straße 7 befindet. Eggers stirbt im selben Jahr - das Gemälde ist damit eine Art Hommage an ihn.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Atelierwand, 1872

Die Unabwendbarkeit des Schicksals

Die Darstellung von Schere und Faden ist zunächst als typisches Handwerks- und Bildhauerwerkzeug zu interpretieren. In diesem Zusammenhang verweisen sie jedoch auf den Mythos der Parzen. Jene Schicksalsgöttinnen der griechischen Mythologie spinnen den Lebensfaden, der das Schicksal eines Menschen festlegt. Die Göttinnen sind Herr über den Tod eines Menschen, indem sie den Lebensfaden mit den Scheren abschneiden. Durch diese Bedeutungsdimension und die im Bild versammelten Totenmasken, wie die von Friedrich Eggers, ist das Gemälde als vielschichtiger Reflex über Vergänglichkeit interpretierbar.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Atelierwand, 1872

Die Hand – zwischen Verlebendigung und Erstarrung

Aus der Bildmitte leicht nach rechts gerückt, ist der Gipsabguss einer linken Hand dargestellt. Sie wirkt übergroß und erhält durch die scharfe Ausleuchtung eine besondere haptische Präsenz. Es ist denkbar, dass Menzel, selbst Linkshänder, damals über dieses Detail auf sein eigenes Schaffen verweisen will. In der Kunstgeschichte verkörpern die Künstlerhände dessen Befähigung und stehen für sein Genie. In Menzels Bild changiert die prägnante Hand zwischen Verlebendigung und Erstarrung.

Adolph Menzel (1815 – 1905)

Atelierwand, 1872

Rote Wand

Wir blicken auf die, in sogenanntem „pompejanischen“ Rot gestrichene Wand eines Ateliers, an der sich verschiedene Gipsabgüsse, Totenmasken und Künstlerwerkzeuge befinden. In diffuses Licht getaucht, treten die Gegenstände schemenhaft in Erscheinung und entfalten dadurch eine gespenstische Präsenz.