Öl auf Leinwand
131,5 x 143,5 cm
© Hamburger Kunsthalle / Foto: Elke Walford
Die Hülsenbeckschen Kinder, 1805/06
Fürsorge
Runge ist es damals sehr wichtig, die drei Kinder ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium gemäß wiederzugeben. Bei der fünfjährigen Maria handelt es sich um das älteste der drei Geschwister. Entsprechend kontrollierend und verantwortungsbewusst wirkt ihr Verhalten. Gemeinsam mit dem Bruder im Bildmittelpunkt hält sie die Deichsel des Leiterwagens. Dabei nimmt sie mit ihrer rechten Hand und ihrem Blick Bezug auf das jüngste Kind. Es wird von den beiden größeren Geschwistern im Wagen gezogen. Womöglich sorgt sich die Schwester darum, der Kleine könnte das abgerissene Blatt in den Mund nehmen.
Die Hülsenbeckschen Kinder, 1805/06
Tatkraft
Der vierjährige August, im grünen Hosenanzug dargestellt, übernimmt den aktivsten Part unter den Kindern. Mit der Peitsche knallend, die er in der demonstrativ erhobenen rechten Hand hält, hat seine Linke die Deichsel des Wagens fest im Griff. Der Blick aus dem Bild auf den Betrachter unterstreicht den spielerischen Bewegungsdrang des Knaben. Mag zugleich aber auch im Sinne des damaligen Rollenverständnisses auf den männlichen Führungsanspruch hinweisen.
Die Hülsenbeckschen Kinder, 1805/06
Greifen als Begreifen
Bei dem zweijährigen Friedrich im Leiterwagen ist der über die Sinne vermittelte Zugang zur Welt noch ein anderer. Während er mit seiner rechten Hand scheinbar intuitiv den Stil eines Sonnenblumenblattes umfasst, geht sein Blick in Richtung des Betrachters. Dabei ist er allerdings noch nicht zielgerichtet und fokussiert. Hingegen macht Runge über das Greifmotiv deutlich, dass für die Welterschließung in diesem Alter insbesondere der Tastsinn bedeutend ist. Greifen ist das Begreifen der Welt und ihrer Zusammenhänge.
Die Hülsenbeckschen Kinder, 1805/06
Der Betrachter wird zum Kind
Der Sonnenblumenstaude kommt für die Wahrnehmung des Bildes eine wichtige Funktion zu. Durch sie wird dem Betrachter erst die starke Untersicht bewusst, aus der der Künstler das kindliche Treiben eingefangen hat. Die Kinder befinden sich auf Augenhöhe und der Betrachter nimmt die Welt ein Stück weit mit ihren Augen wahr. Die Blüten der Sonnenblume zeigen verschiedene Blühstadien. Damit macht Runge über das Element der Pflanze auf die unterschiedlichen Phasen der Entwicklung der drei Kinder aufmerksam.
Die Hülsenbeckschen Kinder, 1805/06
Vor den Toren der Stadt
Im Hintergrund des Gemäldes ragen die Kirchtürme Hamburgs in den Himmel. Hinter den Sonnenblumenblättern ist lediglich der oberste Teil der Turmspitze von St. Jacobi zu erkennen. Rechts davon schließen sich St. Petri, St. Nicolai und St. Katharinen an. Das Landhaus der Hülsenbecks befindet sich damals in Eimsbüttel, was damals noch vor den Toren der Stadt lag. Die drei Geschwister haben den Bereich des Grundstücks bereits verlassen und erschließen sich voller Tatendrang die nähere Umgebung.
Die Hülsenbeckschen Kinder, 1805/06
Gute Bekannte
Das Werk ist eine Allegorie des Heranwachsens und eine Aufforderung, sich in die Position des Kindes hineinzuversetzen. Bei den Dreien handelt es sich um Maria, August und Friedrich Hülsenbeck. Runge kennt die Familie gut. Sein ältester Bruder hat mit dem Vater der Kinder eine Speditionsfirma.