Öl auf Leinwand, 81 x 65 cm
Copyright am Werk: Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Copyright am Foto: Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen
Foto: Lars Lohrisch
Sylvette, 1954
Frisur „à la Picasso“
Picasso lernt Sylvette David im Frühjahr 1954 in Vallauris im Süden Frankreichs kennen. Die damals 19-Jährige verkörpert das Schönheitsideal und Frauenbild ihrer Zeit. Der modische Pferdeschwanz wird zum Kennzeichen dieses neuen Frauenbildes. Die Sylvette-Bildnisse finden bei der jungen Generation durch unzählige Reproduktionen großen Anklang. Man identifiziert sich mit der jungen Frau und trägt den Pferdeschwanz „à la Picasso“.
Sylvette, 1954
Merkmale
Picasso betont in der Portrait-Serie Sylvettes mandelförmige Augen, ihren sinnlichen Mund, ihre gerade Nase und den langen, schlanken Hals. Doch vor allem ist der hohe Pferdeschwanz das Wiedererkennungsmerkmal. Dieser ist auch ein Kennzeichen von Brigitte Bardot, der Sylvette auch einmal zufällig begegnet.
Sylvette, 1954
Sylvette statt Brigitte Bardot
Brigitte Bardot begann 1952 ihre Filmkarriere und avancierte innerhalb kürzester Zeit zum Idol und Leitbild junger Mädchen. 1956 besucht die Schauspielerin Picasso, allerdings malt er sie nicht. Ein Grund dafür könnte Sylvette David sein – die Bardot äußerlich stark ähnelte, an der Picasso sich bereits künstlerisch abgearbeitet hatte. Zudem kann der Charme der Frauen unterschiedlicher nicht sein: Eine erotische Bardot reizt ihn wohl nicht so sehr wie die scheue Sylvette.
Sylvette, 1954
Kunst als Trauerarbeit
1953 trennt sich François Gilot von Picasso nach neun Jahren Beziehung und zwei Kindern. Sie ist die erste und einzige Frau, die sich von ihm trennt und nicht von ihm verlassen wird. Infolge der Trennung gerät der Künstler in eine persönliche Krise, die eine enorme Schaffenskraft freisetzt: Er verarbeitet die Trennung in einer Zeichenserie zum Thema Maler und Modell. In diese Schaffensphase fällt auch die Sylvette-Serie.
Sylvette, 1954
Über die Mauer angelockt
Zum ersten Mal sieht Picasso die junge Sylvette bei einer Ausstellung von Toby Jellinek, dem Verlobten von Sylvette David. Aus der Erinnerung porträtiert er sie. Er überrascht sie mit dem Porträt, als er es ihr über die Grundstücksmauer seines Studios reicht, um sie als Modell zu gewinnen. Geschmeichelt willigt sie ein und lässt sich regelmäßig von ihm malen.
Sylvette, 1954
Der Schaukelstuhl
Sylvette posiert für den Maler am Vormittag. Aufgrund der Kälte trägt sie einen von ihrem Verlobten Toby Jellinek entworfenen Mantel mit hohem Kragen. Der Mantel wird zu einem charakteristischen Element der Porträtserie. Sie sitzt meist auf dem Bugholzschaukelstuhl, der auch häufig in Picassos Porträts von anderen Frauen zu sehen ist.
Sylvette, 1954
Serie
Die Sylvette-Serie umfasst über 60 Kunstwerke. Davon entstanden 28 Gemälde, 21 Zeichnungen und Skizzenblätter von Sylvette in nur zwei Monaten, zwischen April und Juni 1954. Im selben Jahr fertigt Picasso auch Papierarbeiten und Faltplastiken aus Papier und Metall. Im nächsten Jahr entwickelt er Keramiken, die das Profil des Mädchens aufgriffen.
Sylvette, 1954
Sylvette als Statue
Jahrzehnte später wird die Sylvette-Faltplastik von dem norwegischen Künstler Carl Nesjar als überdimensional große Betonplastik in New York und Rotterdam realisiert. Die über 10 m hohe Skulptur in New York steht mitten in Manhattan auf dem Laguardia Place. In Rotterdam ist die Figur 7,5 m hoch und steht vor dem Boijnmans van Beuningen Museum.