Ki Anitaalbus Waldrappe Minimum

Anita Albus (*1942)

Waldrappe in Weltlandschaft, 1999

Ein vom Aussterben bedrohter Vogel

Der Waldrapp – eine Unterfamilie der Ibis-Vögel – ist einer der seltensten Vögel weltweit. Bevor der Mensch diesen Ibis-Vogel durch Jagd und Zerstörung der Naturlandschaft im Laufe der Zeit stark dezimiert hat, erstreckte sich die Population von Mitteleuropa bis nach Äthiopien. Mittlerweile sind Wiederansiedlungsprojekte notwendig, um die gefährdete Art vor dem Aussterben zu bewahren. Die vom Verschwinden bedrohte Tier- und Pflanzenwelt rückt Anita Albus immer stärker in den Fokus ihres künstlerischen Schaffens. Dagegen tauchen Menschen zum letzten Mal Ende der 1970er Jahre in ihren Bildern auf.

Anita Albus (*1942)

Waldrappe in Weltlandschaft, 1999

Präzise Beobachtungen

Wie genau Anita Albus ihre Motive studiert, ist hier deutlich erkennbar: Mit höchster Präzision gibt sie den Vogel im Vordergrund wieder. Das metallisch schillernde Gefieder in schwarzen, grünen und violetten Farbtönen wirkt im Original täuschend echt. Die Künstlerin erzielt diesen Eindruck durch eine Lasurtechnik, bei der sie die Farbe hauchdünn in zahlreichen Schichten aufträgt. Vorne rechts im Bildmittelgrund zeigt Anita Albus einen Jungvogel: Sein Federschopf ist weniger üppig ausgeprägt als bei den erwachsenen Vögeln. Auch am Himmel sind Waldrappe zu erkennen. Die Tiere verdanken ihre besonderen Künste in der Luft einer Flügelspannweite von bis zu 125 cm.

Anita Albus (*1942)

Waldrappe in Weltlandschaft, 1999

Weltlandschaft

Eng verknüpft mit Anita Albus’ Interesse für die Waldrappe ist die Konzentration auf die titelgebende „Weltlandschaft“, welche als Idealbild gilt. Der Begriff geht zurück auf die Naturdarstellungen des flämischen Künstlers Joachim Patinir im 16. Jahrhundert. Seine detailgetreue Wiedergabe nimmt großen Einfluss auf die Landschaftsmalerei. Anita Albus bewundert dessen verspielte Genauigkeit in allen Details, die vom Vordergrund bis zur Horizontlinie reichen. Auch für sie ist jedes Detail für die gesamte Bildkomposition bedeutsam. Der voranschreitende Verlust von Pflanzen und Tieren ist für sie unmittelbar verknüpft mit dem Verlust menschlicher Kulturtechniken. Denn durch die stetig abnehmende Artenvielfalt verliert der Mensch ebenso Projektionsflächen seiner schöpferischen Fantasie und büßt somit auch an kultureller Vielfalt ein.

Anita Albus (*1942)

Waldrappe in Weltlandschaft, 1999

Der schwebende Blick

Sowohl Vordergrund als auch Hintergrund des Gemäldes glänzen mit großem Detailreichtum. Die Fenster und Türen der Gebäude einer Siedlung sind gut sichtbar. Selbst der Mauerverband des Burgtorbogens oberhalb des Dorfes ist als Andeutung zu erkennen. Eine solche Detailschärfe wäre entsprechend dieser Entfernung in der Realität mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar. Anita Albus trotzt damit den Wahrnehmungsgegensätzen von feinteiliger Nahsicht und gestaffelter Tiefenschärfe und lüftet die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung ein wenig: unser Blick scheint zu schweben.

Anita Albus (*1942)

Waldrappe in Weltlandschaft, 1999

Die Wechselbeziehung von Bild und Text

Anita Albus arbeitet nicht nur als bildende Künstlerin, sondern auch als Literatin. Schon kurz nach ihrem Studium der freien Grafik an der Folkwang-Schule für Gestaltung in Essen veröffentlichte sie Anfang der 1970er Jahre erste Bücher. Ihre künstlerischen Werke stehen im engen Zusammenhang mit ihren natur- und kunsthistorischen Forschungen und Schriften. In dem Buch "Von seltenen Vögeln" (2005) erzählt sie von ausgestorbenen und gefährdeten Vogelarten und illustriert diese mit eigenen und historisch-vogelkundlichen Darstellungen. Sie berichtet über die Ausbreitung und die Verhaltensweisen von seltenen Vogelarten und widmet sich deren historischer Erforschung einschließlich der Irrtümer, Mythen und Fabeln, welche die Tiere in der Wahrnehmung durch den Menschen begleiten.

Anita Albus (*1942)

Waldrappe in Weltlandschaft, 1999

Die Kunst zu sehen

2016 erwarb die Karl-Walter Breitling und Charlotte Breitling-Stiftung einen Großteil der Werke von Anita Albus als geschlossenes Konvolut zum Verbleib in der Kieler Kunsthalle. Seit diesem Ankauf befinden sich bis auf wenige Ausnahmen alle bis 2004 entstandenen Werke in dieser Sammlung. 2017 widmete das Haus der Künstlerin zu ihrem 75. Geburtstag die umfassende Ausstellung "Anita Albus. Die Kunst zu sehen".