Ki Danielrichter Billard Minimum

Daniel Richter (*1962)

Billard um halbzehn, 2001

Nazi-Symbolik

Das Gemälde "Billiard um halbzehn" bezieht sich auf einen Brandanschlag, bei dem 1996 zehn Menschen in einem Lübecker Asylbewerberheim getötet wurden. Am Morgen nach der Brandnacht nahm die Polizei 35 Kilometer entfernt vom Tatort drei junge Männer aus der rechtsextremen Szene fest. Entsprechend hat Richter unter der Schuhsohle der tanzenden Figur ein Hakenkreuz sowie die sogenannte Siegrune angedeutet, Symbole, deren Darstellung nur im Rahmen der künstlerischen Freiheit und zur geschichtlichen Bildung erlaubt sind.

Daniel Richter (*1962)

Billard um halbzehn, 2001

Billard um halbzehn

Der Titel des Gemäldes "Billard um halbzehn" bezieht sich auf den gleichnamigen Roman von Heinrich Böll, einem Werk von 1959, das die Geschichte einer deutschen Architektenfamilie über drei Generationen hinweg beschreibt. Ebenso wie Böll geht es Richter in diesem Bild darum, die Kontinuität nationalsozialistischen Gedankengutes aufzuzeigen. Während seiner Studienzeit war Richter selbst in der Hamburger 'Autonomen Szene' aktiv und demonstrierte gegen Rechtsextremismus. "Billiard um halbzehn" ist typisch für Richters Werk aus dieser Zeit. Er verknüpft politisches Zeitgeschehen mit literarischen Vorlagen und bezeichnet dieses aus der Popmusik inspirierte Stilprinzip als Sampling.

Daniel Richter (*1962)

Billard um halbzehn, 2001

Lübecker Brandanschlag

Das Gemälde bezieht sich auf den Brandanschlag im Jahr 1996 auf ein Lübecker Asylbewerberheim. Rechtsextremisten hatten bei diesem Anschlag drei Erwachsene und sieben Kinder ermordet. 38 weitere im Haus lebende Menschen wurden verletzt. Die Menschen stammten aus Angola, Togo, Zaire und dem Libanon. Die Jüngsten wurden in Deutschland geboren. Trotz der Festnahme dreier Verdächtiger aus der rechtsextremen Szene ließ die Polizei die drei Jugendlichen aufgrund mangelnder Beweislage wieder frei. Der Fall und das polizeiliche Verfahren zogen mehrere Jahre öffentliche Kritik nach sich.

Daniel Richter (*1962)

Billard um halbzehn, 2001

Die Schlieren der Vergangenheit

Feuer in Nachtgemälden ist ein wiederkehrendes Motiv. Hier erzeugt die Anlehnung an Feuerrituale während der NS-Diktatur gemeinsam mit den entsprechenden Drohgebärden eine furchteinflößende Stimmung. Richter deutet das Lagerfeuer selbst malerisch nur an, die von dem Feuer ausgehende Helligkeit zeigt er jedoch deutlich und deutet damit das bevorstehende unheilvolle Geschehen an. Ihn interessieren in dieser Zeit experimentelle Formen und Techniken des Malens mehr als der Umgang mit dem Pinsel. Richter hantiert lieber mit der Rakel, schmiert die Farbe über die Leinwand und arbeitet mit Verlaufstechniken. Der dreischichtige Bildaufbau von Billard um halbzehn sowie die dunklen Farben erinnern an norddeutsche und skandinavische Landschaftsdarstellungen des späten 19. Jahrhunderts.

Daniel Richter (*1962)

Billard um halbzehn, 2001

Vanitas-Motiv und Totenfratzen

Am Boden liegt ein toter Vogel. Das Motiv knüpft an die Tradition des Vanitas-Bildes an. Der Tod zeigt sich hier durch den Kadaver. Im Hintergrund in einer Linie direkt darüber befindet sich im Bild der Tatort. Noch brennt die Villa nicht, sondern nur das Lagerfeuer, das sich wie der Vogel im Vordergrund befindet und eine unheilvolle Stimmung verbreitet. Die Gesichter der drei Personen wirken wie Fratzen; jenes des Mannes in der Mitte erinnert an einen Totenkopf. Er steht mit überkreuzten Armen überlegen da, so als wisse er, dass er später keine Verurteilung zu fürchten haben wird.

Daniel Richter (*1962)

Billard um halbzehn, 2001

Malerei als Sampling

Daniel Richter arbeitet mit den in den Medien zirkulierenden Bildern der Gegenwart. Dazu zählt die aktuelle Berichterstattung der Presse und die Präsenz bestimmter Bilder in Fotografie, Film, Video, Fernsehen und digitalen Medien. Häufig dient ihm eine Fotografie oder eine Tagesmeldung als Ausgangspunkt, um ein Gemälde zu beginnen. Auch für die weiße Villa im Hintergrund dieses Werkes ließ sich Daniel Richter von einem Bild aus den Nachrichten inspirieren. Die Presse zeigte damals immer wieder das ausgebrannte Haus. Den Künstler beschäftigte dabei nicht nur der Brandschlag selbst, sondern auch die mediale Auseinandersetzung mit diesem Attentat.