
Dispersion auf ungrundiertem Halbleinen
300 x 400 cm
Copyright am Werk: Franz Gertsch
Copyright Foto: Kunsthalle zu Kiel
Foto: Sönke Ehlert
Saintes Maries de la Mer I, 1971
Wallfahrtsort von Sinti und Roma
Der Titel des Gemäldes hebt den Ort hervor, der Franz Gertsch zu dem Gemälde inspiriert hat. In Saintes Maries de la Mer, einer Gemeinde in der Camargue am Golfe du Lion, werden in einer Kapelle die Gebeine der Heiligen Sara aufbewahrt. Jedes Jahr im Mai pilgern Sinti und Roma aus aller Welt zu diesem französischen Wallfahrtsort, um ihre Schutzpatronin zu ehren. In einer Prozession wird ihre Statue von der Krypta durch schmale Gassen bis zum Strand getragen, wo eine symbolische Reinigung durch einen Geistlichen erfolgt. Die Feierlichkeit wird von Gesängen und Musik sowie mehreren Tausend Pilgern, Ortsansässigen und Urlaubsgästen begleitet.
Saintes Maries de la Mer I, 1971
Fotografie als Ausgangspunkt
Zufällig fand Gertsch in den spielenden
Mädchen am Strand sein Motiv für das Gemälde. Eigentlich besuchte der Künstler 1971 die
farbenprächtigen religiösen Feierlichkeiten, um eben diese fotografisch als mögliche
Bildvorlage einzufangen.
Seit den 1970er Jahren benutzt er eigene Fotovorlagen, Schnappschüsse und geplante Aufnahmen
als Ausgangspunkt für seine Gemälde und Holzschnitte. Beim Fotografieren legt Franz Gertsch
manchmal bereits eine Vorauswahl für das Motiv fest. Seine endgültige Wahl einer bestimmten
Fotografie trifft er jedoch erst später. Wenn das Motiv steht, kann er sich beim Malen ganz
auf Farbe und Gestus konzentrieren.
Saintes Maries de la Mer I, 1971
Prozess der Verdichtung
Franz Gertsch hat eine eigene Technik entwickelt: Er projiziert im verdunkelten Atelier mit Hilfe eines Diaprojektors eine Fotovorlage auf den Malgrund. Dabei steht er selbst im Projektionslicht und verdeckt damit Teile dessen, was er eigentlich malen möchte. Schon deshalb verändert er das Bild im Malprozess fortwährend. Um an alle Ecken und Ränder seiner großformatigen Leinwände zu kommen, bewegt Franz Gertsch sich für den oberen Teil auf einer Hebebühne. Da er unmittelbar vor der übergroßen Leinwand arbeitet, muss er immer wieder Abstand nehmen, um den Fortschritt zu begutachten. Jean-Christophe Ammann, Kunsthistoriker, Kurator und früher Wegbegleiter des Künstlers, nannte das einen „stetigen Prozess der Beobachtung und der Verdichtung“.
Saintes Maries de la Mer I, 1971
Liebe zum Detail
„In der Vergrößerung hat jedes Detail seinen Luxusplatz. Das Detail entspricht dem Ganzen, dem Größeren. Malerei ist manifeste Erinnerung. Malerei ist etwas Sinnliches“, sagt Franz Gertsch. Im Gemälde Saintes Maries de la Mer I ist die Fotovorlage auf enorme 304 x 405 x 8 cm angewachsen. Bei einem solchen Großformat können schon einmal mehrere Monate vergehen, bis der Künstler sein Werk vollendet hat. Tag für Tag malt er einen Abschnitt von etwa 25 x 25 cm mit gleichbleibender Aufmerksamkeit für jedes Detail.