Moh Hansfinsler Eieraufwaffelpapier Ausschnitt Minimum

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Das Ei als Ideal

„Ich fragte mich, ob es nicht eine Art Grundform, ein Normalobjekt geben würde, an dem man allgemeine Gesetze der Photographie studieren könnte […].“ Finsler wählt das Ei als ideales Objekt für seine fotografischen Studien. Acht Variationen zeigen ihn als Vertreter der Fotografie des Neuen Sehens der 1920er Jahre: Er spielt mit Licht und Schatten, Anschnitt und Ausschnitt, Grautönen, Struktur und Diagonalen, sieht das Ei immer wieder neu und erforscht so die ästhetischen Möglichkeiten der Fotografie.

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Material und Struktur

Finsler arbeitet in den Werkstätten der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle (Saale) zunächst in der Bibliothek, später als Lehrer für Fotografie. In den Handwerksklassen werden Glas, Metall, Porzellan und Stoffe mit Blick auf das jeweilige Material und den Zweck des Objekts gestaltet. Finslers Klasse für Sachfotografie sucht nach Bildlösungen, die das Wesen dieser Gegenstände einfangen und „das ungeübte Auge“ führen, sodass „auf dem Umweg über die Photographie die Kontraste von Wolle und Seide eines Gewebes […] deutlicher gezeigt werden“. Hier interessiert ihn der Kontrast zwischen glatter Oberfläche des Eis und der strukturierten Unterlage.

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Das weiße Ei

„Das Ei hat eine vollkommene Form. Es ist ein ideales Objekt der Fotografie“, schreibt Finsler. Das weiße Ei eignet sich besonders für seine fotografischen Studien, denn es kann hell oder dunkel sein, keine Farbnuancen beeinflussen die Wirkung von Licht und Schatten und seine Form ist allgemein bekannt. So können verschiedene Stilmittel ausprobiert werden, „ohne durch ein besonderes Material, eine individuelle Formgebung oder eine bewußte (sic) Farbwirkung abgelenkt zu werden.“

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Anschnitt

Das obere Ei ist nicht ganz auf dem Bild zu sehen. „Durch das eindringende Ei zeigt das Bild gleichzeitig Ruhe und Bewegung“, schreibt Finsler zu einer Bildvariante. Indem er seine Motive absichtlich nicht vollständig, sondern im Anschnitt zeigt, bringt Finsler Bewegung und Spannung in seine Motive und zeigt, dass der fotografische Raum jeweils nur ein Ausschnitt sein kann.

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Diagonalen

Das Bild wirkt nur scheinbar einfach. Es ist aber bis ins kleinste Detail in Szene gesetzt: Dunkle und helle Flächen unterteilen den Bildraum, wirken wie aufgefächert und überlagern sich gegenseitig. Es entstehen diagonale Linien, die den Raum strukturieren und in interessantem Kontrast zu den ovalen Formen der Eier stehen. Die feinteilige Struktur des Waffelpapiers setzt einen zusätzlichen Akzent. Der Blick geht von oben auf die Objekte, dadurch entsteht ein abstraktes Bild: was wir als Eier kennen, wird zur reinen Form.

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Variationen und ein „Nacht-Ei

Diese frühe Studie von 1925 untersucht „Eier in verschiedener Tönung auf gepresstem Papier“, in anderen Motiven erprobt Finsler Spiegelungen. So entsteht „das Spiegelei“, das gespiegelte Ei. Auch faszinieren ihn Hell-Dunkel-Variationen: Das weiße Ei ruht im fotografischen Positivabzug als Kontrast auf dunklem Grund, er nennt es „das Tagesei“. In der Negativansicht kehren sich die Kontraste um: Als „Nachtei“ liegt es dunkel auf einem helleren Grund. In den 1950er Jahren lässt der Fotograf die Eier frei im Raum schweben und versetzt sie in Rotation, sodass im Bild verwirbelte Kreise entstehen.

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Das Ei als Symbol

Das Ei hat für Finsler nicht nur eine „vollkommene Form“, sondern auch eine symbolische Bedeutung: Der Basler Philosoph und Historiker Johann Jakob Bachofen (1815 – 1887) bezeichnet es als „Symbol des stofflichen Urgrunds der Dinge“, als halb weiß, halb schwarz. Fasziniert schreibt Finsler 1962 in seinem Text „Das Ei und die Photographie“: „Positiv und Negativ sind die technischen Grundformen der Photographie, wobei das Negativ beim weißen Ei fast gleichbedeutend ist wie das Positiv, eine einfache Umkehrung von Hell und Dunkel“. Das Ei wird zum Symbol der fotografischen Grundelemente.

Hans Finsler (1891 – 1972)

3 Eier auf Waffelpapier I, 1929

Neue Fotografie

Finsler nimmt 1929 an der legendären Ausstellung „Film und Foto“ in Stuttgart teil. Als einer der Hauptvertreter der Fotografie des Neuen Sehens der 1920er Jahre widmet er sich den Eigenheiten des fotografischen Mediums und sucht nach neuen Bildlösungen, die sich von klassischen Darstellungstraditionen abwenden. Finslers Nachlass befindet sich seit 1987 im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Sein Vermächtnis ist der Grundstein für die Sammlung Fotografie.