Moh Lyonelfeininger Dominhalle Ausschnitt Minimum

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Rausch und Leid

Bereits 1929 beginnt Feininger mit dem Bild, doch immer wieder pausiert er, kratzt die bereits gemalten Schichten ab, arbeitet wie im Rausch. Erst auf dem blass geschrubbten Grund der Leinwand kann er wieder von vorn anfangen. „Das Dom-Bild ist das Schwierigste, was ich, wenigstens in der Form, jemals unternahm. [...] Donnerwetter, morgen fange ich ein neues Bild an, ganz für mich! Die Pinselei am Dom macht mich krank“, schreibt er. 1931 ist das Bild schließlich vollendet.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Lieblingsresidenz

Als gotische Dominikanerkirche im 13. Jahrhundert geweiht, macht Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490 – 1545) sie 1523 zur Stiftskirche des Erzbistums Magdeburg. Er lässt sie im Stil der Renaissance umbauen, sie wird die Lieblingsresidenz des Kardinals. Hier bewahrt er seinen umfangreichen Reliquienschatz, das Hallesche Heiltum, auf.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Der Dom zu Halle

Aufgrund ihrer besonderen Stellung im Erzbistum wird die Kirche im Sprachgebrauch bis heute als „Dom“ bezeichnet, obwohl sie keine Bischofskirche ist. Der wirkliche Dom des Erzbistums steht in Magdeburg. Mit Martin Luther und seinem Anschlag der Thesen im nahe gelegenen Wittenberg beginnt die Reformation, und so sieht sich der Kardinal letztlich gezwungen, seine Residenz in Halle (Saale) im Jahr 1540 aufzugeben.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Streben nach oben

Wie ein gewaltiger dunkler Schatten schiebt sich das Bauwerk dem Betrachter entgegen. Feininger nutzt dabei die strenge Regularität der Kirchenarchitektur, wie die hohen Chorfenster. Es entsteht ein Bauwerk von massiver Geschlossenheit, das zugleich luftig dem Himmel entgegenstrebt, wo sich die Architektur schließlich aufzulösen scheint. Das vorgelagerte Küsterhaus bildet mit seinen hell erleuchteten Fenstern einen Kontrast. Es gibt dem Dom ein Stück Leichtigkeit, nimmt ihm aber nichts von seiner wuchtigen Kraft.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Kraftströme

Feininger verleiht dem Bild eine außerordentliche Dynamik: Fast wirkt der Dom wie ein übergroßes Schiff, das durchs Meer auf die Küste zu gleitet. Der Künstler erreicht diese Dynamik durch die diagonalen Linien, die sich über den gesamten Bildgrund ziehen und zu geometrischen Formen steigern. Die dramatische Farbgebung variiert schwere Erdtöne und geht bis ins Blaue hinein und bewirkt so einen einzigartigen Licht-Schatten-Rhythmus.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

„Entartete Kunst“

Die nationalsozialistische Aktion „Entartete Kunst“ im Jahr 1937 führt zu massiven Beschlagnahmungen „nicht-arischer“ Kunst. Das Museum in Halle wird seiner bedeutenden Sammlung moderner Kunst beraubt. Die Folgen sind bis heute spürbar. Unter den beschlagnahmten Bildern befinden sich auch die gesamten Halle-Bilder Lyonel Feiningers. Seine Bilder werden in der diffamierenden Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt: darunter die „Türme über der Stadt“, heute in Köln, und die „Marienkirche mit dem Pfeil“, heute wieder in Halle (Saale).

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Wieder zuhause

Nach dem Zweiten Weltkrieg können der „Dom“ und ein weiteres Werk, die „Marienkirche mit dem Pfeil“, zeitnah aus Privatbesitz zurückerworben werden. Ein weiteres, der verschollen geglaubte „Rote Turm I“, kehrt 2009 zurück, sodass heute wieder drei der ehemals elf Bilder am Ort ihrer Entstehung dauerhaft zu sehen sind. Die übrigen Bilder sind heute auf verschiedene öffentliche Sammlungen in ganz Deutschland verteilt, so unter anderem in München, Köln, Hamburg und Berlin.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Der Mensch, ganz klein

Menschen spielen in den Architekturbildern Feiningers nur eine untergeordnete Rolle. Hier sind sie nur angedeutet und stehen als kleines Leben vor einem übermächtigen Bauwerk. In dieser Intention nimmt Feininger Bezug auf Romantiker wie Caspar David Friedrich: Die Unbedeutsamkeit des menschlichen Lebens steht im Gegensatz zur Natur und zur Architektur, die der Mensch erschafft.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Karikaturist und Bauhaus-Meister

Als Sohn deutscher Musiker 1871 in New York geboren, kommt er mit dem Ziel, Musik zu studieren, mit 16 Jahren nach Deutschland. Doch spontan schreibt er sich in Berlin an der Kunstakademie ein. Er ist ein gefragter Karikaturist, als er sich 1907 der Malerei zuwendet und mit seinem expressiven Stil in wenigen Jahren zu einem der wichtigsten Vertreter der Moderne wird. So stellt er 1913 im „Ersten Deutschen Herbstsalon“ der Berliner Galerie „Der Sturm“ gemeinsam mit Künstlern der „Blauen Reiter“ aus.

Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Der Dom in Halle, 1931

Am Bauhaus

Weimar wird ab 1919 sein Zuhause: Walter Gropius beruft ihn als „Meister der Formlehre“ an das Staatliche Bauhaus. Dort entwickelt er als Lehrer keine Gestaltungslehre und auch kein Konzept für Grundlagen künstlerischer Tätigkeit. Er will durch das eigene Beispiel wirken und die Talente der Schüler durch Freiräume stärken.