Moh Maxbeckmann Doppelbildnis Ausschnitt Minimum

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Das doppelte Selbst

Das Porträt eines sich liebevoll zugeneigten Ehepaares - in seinem Tagebuch schreibt Beckmann vielsagend von einem „Doppelselbstporträt“. Der zu dieser Zeit bereits bekannt gewordene junge Künstler gibt sich selbst ernst und mit forschendem Blick wieder. Seine Frau dagegen wirkt in ihrer sensiblen Schönheit in sich ruhend. Beide ergänzen sich in ihren unterschiedlichen Temperamenten, sie bilden eine Einheit, durch ihre Liebe, ihre Interessen, ihre Ehe.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Verzicht auf die Malerei

Minna Tube (1881 – 1964) und Max Beckmann studieren beide Malerei an der Weimarer Kunstschule. Bei einem Faschingsfest der Akademie 1903 verlieben sie sich: „Das war also Liebe auf den ersten Blick...“, schreibt Minna in ihrem Tagebuch. Am 21. September 1906 heiraten sie und lassen sich in Berlin-Hermsdorf in einem von Minna entworfenen Atelierhaus nieder. Nach der Heirat gibt Minna die Malerei auf, weil ihr Mann sie darum bittet. Stattdessen bildet sie sich zur Opernsängerin aus. Ab 1915 hat sie Engagements in Wuppertal, Dessau, Chemnitz und Graz.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Scheidung

1925 bittet Beckmann seine Frau um die Scheidung. Er hat bei einem Besuch im Hause seiner Schülerin Henriette von Motesiczky in Wien deren Freundin, die junge Mathilde Kaulbach (1904 – 1986) kennengelernt, die Tochter des Malers Friedrich August von Kaulbach, und möchte sie heiraten. Mathilde, auch „Quappi“ genannt, wird durch zahlreiche Zeichnungen und Gemälde Beckmanns zu einer der meist verewigten Frauen der Kunstgeschichte. Minna Tube dagegen gibt das Bühnenleben auf und geht 1928 zurück nach Berlin. Nach der Scheidung singt sie auch im privaten Umfeld nie mehr.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Seiner Liebsten

Max Beckmann nennt seine erste Frau „Mink“ oder „Minkchen“, sie ihn „Maken“. Seit 1906 signiert er seine Bilder mit MBSL oder (seltener) HBSL: „Max Beckmann bzw. Herr Beckmann seiner Liebsten“. In vielen seiner Gemälde und Grafiken hat er Minna Tube porträtiert, in anderen ist sie als metaphorische weibliche Gestalt präsent.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Doppelwesen und Doppelwelten

In Porträts und Selbstbildnissen, die sein gesamtes Werk durchziehen, ergründet Beckmann die Menschen in einem Welttheater, das zwei Seiten hat, eine reale und eine metaphysische. Damit folgt er dem spätromantischen Schriftsteller Jean Paul (1763 – 1825), den er und Minna über alles schätzen. Symbole dieser Doppelwelten wie Spiegel, Orte wie Varieté und Zirkus, die Beckmann gern aufsucht, oder Theater, das er durch die Gesangskarriere Minnas auch hinter der Bühne kennenlernt, sind häufige Bildmetaphern.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Starkes Frühwerk

Auch das Paar ist eine Bildmetapher für das „Doppelwesen“. Das Doppelporträt mit seiner Frau ist noch in relativ konventioneller Manier gemalt. Später wird Beckmann seine Vorstellungen in weitaus rätselhaftere Bilder und in eine ausdrucksstarke, weniger realistische Bildsprache fassen.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

In Bewegung

Beckmann lehnt die sich entwickelnde expressionistische Malerei als „flach und stilisierend dekorativ“ ab. Er strebt eine „raumtiefe“ Malerei an. Im Doppelporträt wird das ganz in den Vordergrund gerückte, fast lebensgroße Figurenpaar zu einer in sich stabilen Form. Der Bildraum dahinter ist kahl, ohne jegliches Mobiliar. Die diagonal verlaufende Bodenleiste und die schrägen Pinselzüge geben dem Raum Tiefe und eine flutende Bewegung.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Mann und Frau

„Über Zeit und Raum Du Freundin meiner Seele gehörst Du mir“, schreibt Beckmann in einem Brief aus Wangerooge am 26. August 1910 an seine Frau. Häufig wird der Raum zwischen dem Paar als Hinweis auf die spätere Scheidung interpretiert. Beckmann möchte jedoch ihre Einheit betonen, was er 1906 kurz vor der Heirat in einem Brief so formuliert: „Wir sind sehr dabei ein geschlossener Organismus zu werden.“ Er thematisiert die Anziehung der Geschlechter in seinen Werken immer wieder.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Vertraute Ehefrau

Hier gibt er sich als aufstrebenden Künstler, sie als vertraute Ehefrau wieder. Obwohl Minna sitzend dargestellt ist, strahlt sie nicht weniger Kraft aus. Sie hat einen eigenständigen Charakter. Minna bewundert Beckmanns künstlerische Kraft, für die sie auf eine eigene Karriere als Malerin verzichtet. Ihre „reiche Natur“ führt sie dafür zur Bühne. Obwohl ihr die Trennung von Beckmann schwerfällt, bleiben sie einander auch danach noch liebevoll verbunden. Beckmann sorgt bis zu seinem Tod für ihren Unterhalt.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, 1909

Der besondere Preis

Die Stadt Halle erwirbt das Gemälde für das Museum 1910 aus einer Ausstellung junger Berliner Künstler im Halleschen Kunstverein. Der erste Direktor des Museums, Max Sauerlandt, hat den Ankauf empfohlen. Er hat es bereits vorher in einer Ausstellung in Leipzig gesehen und beim Künstler sein Interesse angemeldet. Auch der Preis wurde bei dieser Gelegenheit schon besprochen: 1500 Mark. Inzwischen wurde Beckmann durch die Kunsthandlung Paul Cassirer vertreten und seine Preise waren durch den Erfolg seiner Ausstellung dort im selben Jahr um ein Mehrfaches gestiegen. Da Sauerlandt jedoch zu den ersten gehört, die Bilder von Beckmann für ein Museum erwerben, bleibt es bei dem vereinbarten Preis, und der Künstler schenkt dem Museum zudem noch eine Zeichnung.