Chem Erichheckel Flusslandschaftmitbrueckeundzug Minimum

Erich Heckel (1883 – 1970)

Flusslandschaft mit Brücke und Zug, 1905

Die Flüchtigkeit des Augenblicks

Eine Dampfeisenbahn überquert eine Brücke. Die üppig-weißen Rauchschwaden der Lokomotive hinterlassen am Himmel eine Wolkenspur und erzeugen so einen Eindruck von Dynamik. Der Blick des Malers ist Richtung Südosten auf die Dresdner Marienbrücke gerichtet. Weitere spezifische Gebäude am Ufer vernachlässigt er, denn eine realistische, detailgetreue Darstellung interessiert ihn nicht. Vielmehr ist seine Stadtansicht die freie malerische Übersetzung eines flüchtigen Moments, ganz im Sinne der Impressionisten.

Erich Heckel (1883 – 1970)

Flusslandschaft mit Brücke und Zug, 1905

Rhythmische Pinselstriche

Bewegung ist ein Hauptmotiv in diesem Bild. Mit rhythmischen Pinselstrichen in unterschiedlicher Breite akzentuiert Heckel verschiedene Flächeneinheiten und experimentiert mit der Maltechnik der Impressionisten. Schicht für Schicht setzt er verschiedenfarbige Pinselstriche nebeneinander, so dass sich erst aus gewisser Distanz ein Gesamtbild ergibt. Drei Strömungen des Flusses treffen sich in der Bildmitte und laufen als eine Art von Wasserstraße auf den mittleren Brückenpfeiler zu. Lediglich die Brücke, die das Bild im oberen Drittel zerteilt, ist skizzenhaft mit Details versehen.

Erich Heckel (1883 – 1970)

Flusslandschaft mit Brücke und Zug, 1905

Freunde fürs Leben

Erich Heckels Vater arbeitete als Ingenieur bei den Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen. Die Familie zog daher berufsbedingt 1903 nach Dresden. Da der 20jährige Erich Heckel kurz vor dem Abitur stand, blieb er alleine in Chemnitz und genoss seine Eigenständigkeit. Er besuchte das gleiche Gymnasium wie zuvor der etwas ältere Ernst Ludwig Kirchner und kurz danach der jüngere Karl Schmidt-Rottluff, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird. Ein Jahr später studierten beide Architektur in Dresden.

Erich Heckel (1883 – 1970)

Flusslandschaft mit Brücke und Zug, 1905

Die Brücke als Namensgeber

Das Entstehungsdatum dieses Bild ist genau bekannt, denn am 7. Juni 1905 gründeten Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner die Künstlergruppe „Die Brücke“. Es ist die Geburtsstunde des deutschen Expressionismus. Der Name stammt von Schmidt-Rottluff. So schrieb Erich Heckel in einem Tagebucheintrag: „Wir haben natürlich überlegt, wie wir an die Öffentlichkeit treten könnten. Eines Abends sprachen wir auf dem Nachhauseweg wieder davon. Schmidt-Rottluff sagte, wir könnten das „Brücke“ nennen – das sei ein vielschichtiges Wort, weil es zwar kein Programm bedeute, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führe.“

Erich Heckel (1883 – 1970)

Flusslandschaft mit Brücke und Zug, 1905

Mit Volldampf in die Moderne

Mobilität und Geschwindigkeit: Die Eisenbahn war weltweit ein wichtiges Instrument für den industriellen Fortschritt im späten 19. Jahrhundert und ein ebenso beliebtes Motiv bei Künstlern in dieser Zeit. Die „Brücke“-Künstler entwickelten mit der Darstellung von Bahntrassen, Bahnhöfen, fahrenden Zügen, Brücken, Stadt- und Schwebebahnen in Holzschnitten, Zeichnungen und Gemälden ein eigenes Genre, das zu dem wichtigen expressionistischen Themenrepertoire der modernen Stadt zählen wird. Finanziert mit öffentlichen Mitteln wie bürgerlichen Aktiengesellschaften, ist die Eisenbahn zugleich Katalysator der Industrialisierung und Sinnbild der neuen Mobilität eines erstarkten Bürgertums.