Chem Ernstludwigkirchner Chemnitzerfabriken Minimum

Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938)

Chemnitzer Fabriken, 1926

„Sächsisches Manchester“

Der Ausblick auf die Fabrikanlagen von zwei wichtigen Chemnitzer Firmen verweist auf die internationale Bedeutung der damaligen Industriestadt Chemnitz, die auch als „sächsisches Manchester“ bezeichnet wurde. Zahlreiche Betriebe des Maschinenbaus, der Textil- oder auch der Fahrzeugindustrie, allen voran die Fabriken der Sächsischen Maschinenfabrik, vormals Richard Hartmann A.-G. und Germania vorm. J.S. Schwalbe und Sohn, beförderten Aufstieg und Wohlstand der Stadt. Besonders spektakulär: die mittels Pferdegespannen bewältigten Transporte der fabrikneuen Lokomotiven quer durch die Innenstadt bis zum Hauptbahnhof.

Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938)

Chemnitzer Fabriken, 1926

Ein sentimentaler Blick

Im Bild sind die Türme des alten Rathauses zu sehen. Zum Entstehungszeitpunkt des Gemäldes ist bereits auch das Neue Rathaus vollendet. Der 1911 hinzugekommene Turm bleibt hinter den leuchtend gelben Rauchschwaden verborgen. Kirchner verknüpft damit auch Erinnerungen an seine Gymnasialzeit in Chemnitz, wo er von 1890 bis 1901 mit Eltern und Geschwistern lebte. Hier befreundete er sich mit Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel und gründet mit ihnen 1905 die Künstlergruppe „Die Brücke“.

Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938)

Chemnitzer Fabriken, 1926

Eine bedeutungsvolle Markthalle

Der Turm der imposanten zentralen Markthalle ragt mit seiner runden Kuppel hinter den Fabriken hervor. 1891 wurde dieser zweckmäßige, opulente Bau zwischen der Innenstadt, dem Fluss Chemnitz, den Fabrikanlagen und dem sich danach anschließenden Stadtgebiet Kaßberg eröffnet. Mit über 300 Handelsständen übernahm dieses Gebäude in nobler Form die Funktion von öffentlichen, an verschiedenen Plätzen im Freien abgehaltenen Wochenmärkten. Teilweise wohl auch für den damaligen Neustädter Markt, auf dessen Terrain nur wenige Jahre später das König-Albert-Museum, die heutigen Kunstsammlungen am Theaterplatz und die Städtische Oper erbaut wurden.

Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938)

Chemnitzer Fabriken, 1926

"Balkon" der Stadt

Der Betrachter blickt auf die Stadt vom Rande des Kaßbergs, einer damals wie heute bevorzugten Wohngegend mit repräsentativen Gründerzeit-Bauten des Historismus und des Jugendstils. Ernst Ludwig Kirchner wohnte in diesem Viertel und sein Schulweg führte ihn an diesem Aussichtspunkt vorbei, dem sogenannten „Balkon der Stadt“.

Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938)

Chemnitzer Fabriken, 1926

„Ruß-Chemnitz“

Der industrielle Aufschwung hat nicht nur Reichtum in die Stadt gebracht. Die Zahl der Einwohner war um die Jahrhundertwende auf über 100.000 gestiegen. Mietskasernen mit engen Hinterhöfen sind vor allem in der Innenstadt entstanden, in der Nähe der Fabriken und des Flusses. Rund um die Uhr rotierten Dampfmaschinen und es wurden gewaltige Kohlenberge zur Gewinnung von Energie und Wärme verbrannt. Große und kleine Schornsteine stießen schmutzige, ungesunde Luft aus und brachten der Stadt den Spitznamen „Ruß-Chemnitz“ ein. Eine Bezeichnung, die dank dem inzwischen üppig begrünten Stadtbild glücklicherweise der Vergangenheit angehört.

Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938)

Chemnitzer Fabriken, 1926

Davoser Tagebuch

„Groß, monumental ist der Blick von der hohen Straße auf das Fabrikmeer von Hartmann und Schwalbe. Das will ich malen, wenn ich kann, das ist Chemnitz. …“, schreibt Ernst Ludwig Kirchner 1925 in seinem Davoser Tagebuch. (Kirchners Davoser Tagebuch, Eintrag o. D. nach dem 30.12.1925, S. 124, in: Ernst Ludwig Kirchner. Die Deutschlandreise 1925/1926, Kunstsammlungen Chemnitz, 13.05.-05.08.2007, hrsg. von Ingrid Mössinger und Beate Ritter, 2007, S. 119)