
Öl auf Nadelholz
69 cm x 150 cm
Meister des Ehrenfriedersdorfer Hochaltars
Copyright am Foto: Kunstsammlungen Chemnitz
Foto: May Voigt
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Die kosmische Kugel
Eine Kugel als Symbol für Unendlichkeit und Vollendung – in der Hand Christi wird sie zur Sphaira, zum Sinnbild für den Kosmos, der nach christlicher Vorstellung zur Schöpfung und damit zum unbegrenzten göttlichen Herrschaftsbereich gehört. Das Matthäusevangelium liefert im 28. Kapitel den inhaltlichen Rahmen sowohl für dieses Detail als auch für das gesamte Gemälde: Zum einen die Universalität der Herrschaft Jesu Christi, zum anderen das Missionsanliegen, mit dem die Aussendung der Apostel „in alle Welt“ verbunden ist. In Gestalt des „Reichsapfels“ wurde die Sphaira im Mittelalter auch zum Machtsymbol weltlicher Herrscher, insbesondere des Heiligen Römischen Reiches.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Petrus mit dem Schlüssel
Die meisten Apostel sind wenig
individuell dargestellt und
gleichen sich geradezu stereotyp in Physiognomie und Haartracht. Umso
auffälliger die Figur des Petrus: Schon der übergroß hervorgehobene Schlüssel
im Vordergrund links sowie sein kahler Kopf lenken die Aufmerksamkeit auf ihn –
mehr noch aber die fragend erhobene linke Hand. Petrus, der im Kreis der Jünger
immer eine besondere Rolle spielte, wird von Christus mit energisch ausholender
Geste als „Felsen“ (griechisch: pétros) bezeichnet. Er soll junge
Christengemeinde anführen. Stilistisch sorgen die einander zugewandten Köpfe sowie der
gestikulierend
vorgetragene „Dialog“ zwischen Meister und Schüler für Dynamik und Abwechslung.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Johannes segnet den Kelch
Jeder Apostel ist durch ein Attribut gekennzeichnet – meist durch das Folterwerkzeug, mit dem er hingerichtet wurde. Säge, Schwert und Keule lassen die Grausamkeit manches Märtyrertodes deutlich werden. Nur einer starb, wenn auch nach Folter und Verbannung, auf natürliche Weise: Johannes, der Lieblingsjünger. Der Legende nach hatte er den Unmut einiger Goldschmiede in Ephesus hervorgerufen, die angesichts der christlichen Lehre Absatzschwierigkeiten bei ihren Götteramuletten befürchteten. Man beschloss daher, ihn durch ein vergiftetes Getränk umzubringen. Johannes erkannte die Gefahr, segnete den Becher mit dem Kreuzzeichen – worauf das Gift in Gestalt einer Schlange aus dem Gefäß entwich. Der Maler der Einsiedler Tafel hat hier die Form eines kleinen Drachens mit recht zutraulichem Gesichtsausdruck gewählt.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Der Mann mit dem Schrägkreuz
„Andreaskreuze“ kommen im täglichen Leben auf unterschiedliche Weise vor – meist als Warnhinweis, etwa vor Bahnübergängen oder beim Transport chemischer Substanzen. Ihren Ursprung haben die x-förmigen Symbole in der Legende des Apostels Andreas, der in der griechischen Stadt Patras an einem derartigen Kreuz zu Tode gekommen sein soll. Aus rohen, teilweise abgeschälten Baumstämmen zusammengefügt, hat es der Maler dem Apostel als Attribut beigegeben.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Matthias mit der Hellebarde
Ursprünglich hatte Christus zwölf Jünger um sich versammelt. Einer von ihnen, nämlich Judas, wurde zum Verräter und nahm sich das Leben. Um die symbolische Zahl wieder zu erreichen, wählten die verbliebenen elf einen Mann aus ihrem näheren Umkreis mit Namen Matthias. Auf unserem Bild ist er ganz rechts zu sehen, erkennbar an der Hellebarde, mit der er hingerichtet wurde.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Paulus im roten Mantel
Auch der mit dem Rücken zum Betrachter stehende Herr mit rotem Mantel und Schwert gehört nicht zum engeren Apostelkreis: Es ist Paulus, der auf Grund seiner intensiven Bemühungen um die Verbreitung des christlichen Glaubens nachträglich aufgenommen wurde. Eigentlich war er ein erbitterter Gegner der neuen Lehre. Ein Bekehrungserlebnis brachte ihn schließlich zum Umdenken. Noch heute spricht man daher von der Wandlung vom Saulus zum Paulus.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Der Bruch im Bild
Mittelalterliche Tafelbilder sind in der Regel auf einem hölzernen Träger gemalt, dessen Oberfläche durch eine Grundierung zur Aufnahme der Öl- oder Temperafarben vorbereitet wurde. Die Tafeln, meist aus Nadelholz bestehend, wurden aus einzeln zusammengefügten Brettern auf das gewünschte Format gebracht. Im Laufe der Jahrhunderte haben Holzschädlinge, klimatische Einflüsse oder unsachgemäße Restaurierungsmaßnahmen häufig Schäden an den Holzteilen hervorgerufen. Aus diesem Grund hat man das mittlere der drei Bretter, aus denen die Aposteltafel besteht, am oberen Rand nachträglich beschnitten. Dabei ging ein schmaler Streifen der Malschicht verloren, was sich bis heute in Form eines waagerechten Versatzes im Bild abzeichnet.
Christus und die zwölf Apostel, Jakobikirche in Chemnitz-Einsiedel, 1510
Seltene Tafelmalerei
Es handelt sich um ein seltenes Werk mittelalterlicher Tafelmalerei im Bestand der Kunstsammlungen Chemnitz. Bislang ist es nicht gelungen, den Namen des Malers zweifelsfrei festzustellen. Nach seinem Hauptwerk wird er deshalb als „Meister des Ehrenfriedersdorfer Hochaltars“ bezeichnet. Neuerdings gibt es Anhaltspunkte, ihn mit Hans Elfeldar zu identifizieren, von dem sich sowohl in Sachsen als auch in Böhmen einige wenige Werke erhalten haben.