295 x 406 cm
Öl auf Leinwand
Copyright am Werk: Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí/ VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Copyright am Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
La Gare de Perpignan
Im September 1963 steht Salvador Dalí vor dem Bahnhof des südfranzösischen Perpignan: auf einmal hat er eine Vision – nach weiteren Recherchen kommt er zu der Erkenntnis, dass dieser Ort „le centre du monde“, der Mittelpunkt der Welt sein muss. „Im Bahnhof von Perpignan…kommen mir immer die genialsten Ideen meines Lebens“, schwärmt er.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Vergötterte Gattin
„Gala betrachtet Dalí, wie er schwerelos über seinem Werk (…) schwebt“, so stellt der Künstler sein Werk erstmals der Öffentlichkeit vor. Dalí vergöttert seine Frau Gala, sie ist seine Muse. Sie kommen oft zusammen nach Perpignan, weil sie dort Gemälde Dalís auf den Weg bringen, die er verkauft hat. Während Gala sich im Bahnhof mit den Versandformalitäten beschäftigt, gibt sich der Künstler seinen Tagträumen hin.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Blick ins Universum
Auf dem Gemälde „sehen wir die beiden beklemmenden Gestalten des Angelusläuten von Millet im atavistischen Zustand des Winterschlafes vor einem Himmel, der plötzlich zu einem riesigen Malteserkreuz mitten im Bahnhof von Perpignan wird, jenem Punkt, an dem alle Teile des Universums zusammenstreben“, erklärt der Künstler weiter.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Der geopferte Sohn
Das Werk gilt als Schlüsselwerk Dalís: er verknüpft biografische Hinweise mit kunsthistorischen Bezügen. Seit Kindheitstagen entwickelt er eine Paranoia, weil seine Eltern ihn wie seinen jung verstorbenen älteren Bruder ebenfalls Salvador nennen. Wie es die schemenhafte Gestalt mit der Dornenkrone und Dalís zentrale Position im Bild vermitteln, fühlt er sich als „geopferter Sohn“.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Der Maler als Modell
Dalí ist zweimal selbst auf dem Bild abgebildet, er scheint zu schweben oder zu fallen. Sein Gemälde bereitet er wie alle seine Werke auf das Sorgfältigste vor: etliche Skizzen, Lichtstudien, Fotografien und Modelle entstehen im Vorfeld. Um überzeugend die Illusion zu erwecken, im Raum zu schweben, hat der Maler auf einer großen aufgebockten Plexiglasplatte Modell gestanden und ein Foto davon aus der Untersicht gemacht.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Surrealistisch
Der Zustand des Fallens erinnert an den kurzen Moment, in dem man aus einem Traum aufwacht und sich fragt, ob man in der Realität oder noch in der Traumwelt ist. Zu Beginn der 1920er Jahre bildet sich eine Gruppe von Künstlern und Künstlerinnen, die sich mit den Dingen hinter der Wirklichkeit, dem „Überrealen“ auseinandersetzen.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Traumdeutung
Die Surrealisten beschäftigen sich mit dem Unlogischen und Zufälligen in der Malerei – sie wollen so in die Bereiche des Unbewussten vordringen. Intensiv studieren sie die Schriften Sigmund Freuds, besonders auch seine Untersuchungen zur Traumdeutung. Dalí gilt als Hauptvertreter der Surrealisten.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Trauernde Eltern
Die beiden Figuren rechts und links im Bild hat der Künstler einem Werk des französischen Künstlers Jean-François Millet entnommen. Das „Angelusläuten“ stammt aus dem Jahr 1859. Darauf ist ein bäuerliches Paar zu sehen, das während der Arbeit auf dem Feld innehält, als es die Kirchenglocken hört, und betet. Dalí sieht in den Figuren seine Eltern, die um den verstorben Sohn trauern.
Copyright Werk: AKG
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Sonderstellung
„In der Kunst ist es anders als beim Fußballspiel: in Abseitsstellung erzielt man die meisten Treffer“, sagt Dalí. Bewusst setzt sich der Künstler mit seinen Gemälden, die wie ans Tageslicht gezerrte Traumvisionen wirken, von anderen Künstlern ab.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Publikumsliebling
Das rätselhafte, großformatige Werk zählt zu den Lieblingsbildern des Publikums im Museum Ludwig - obwohl es nicht die bekannten Motive Dalís zeigt: zerschmelzende Uhren, oder Personen oder Tiere mit Krücken oder auf Stelzen.
La gare de Perpignan (Der Bahnhof von Perpignan), 1965
Einschüchternder Vater
„Mein Vater war ein Riese an Kraft, Heftigkeit, Autorität und gebieterischer Liebe“, schreibt Dalí. Der Künstler leidet darunter, dass er nicht die Liebe bekommt, die der Vater für den verstorbenen Erstgeborenen empfindet. „Für eine lange Zeit hatte ich in meiner Seite eine blutende Wunde, die mein unempfindlicher, unsensibler Vater, unachtsam für mein Seufzen, kontinuierlich geöffnet hielt durch seine unmögliche Liebe zu einem toten Jungen.“