Öl auf Leinwand
168,5 x 148 cm
Copyright am Werk: Klassik Stiftung Weimar
Copyright Foto: Klassik Stiftung Weimar
Foto: im Auftrag der KSW angefertigt
Der Schnitter, 1893
Flirrende Atmosphäre
Den Eindruck der vibrierenden Luft erzielt Olde durch eine variantenreiche Maltechnik. Bis auf den Strohhut des Schnitters sind jegliche Konturen aufgelöst in Farbflecke unterschiedlicher Größe. Während die Malfläche der Himmelszone auffällige blockartige, breite Pinselstriche in Blau- und Rosatönen zeigt, ist das angedeutete Dach des im Hintergrund verdeckt liegenden Bauernhauses inmitten einiger Baumwipfel mit kurzen, schmalen Pinselzügen in den Komplementärfarben Rot und Grün angedeutet. Oldes modifizierte Anwendung der neoimpressionistischen Farbzerlegung lässt sich unter anderem auf seinen Besuch des 10. Salons der belgischen Künstlergruppe Les XX in Brüssel im Frühjahr 1893 zurückführen, wo er Werke der führenden Vertreter dieser neuen Stilrichtung wie Paul Signac, Henri-Edmond Cross und Theo van Rysselberghe studieren konnte.
Der Schnitter, 1893
Vorbild Monet
Die bildbeherrschende Zone des reifen Kornfelds im Vordergrund weist einen pastos-bewegten Farbauftrag auf, dessen reliefartige Oberfläche noch durch Ritzungen mit dem Pinselstil in die weiche Farbmasse gesteigert ist. Für diese Maltechnik gilt Claude Monet als Vorbild, dessen impressionistische Bilder Olde bei seiner zweiten Parisreise 1891 kennenlernte und bewunderte.
Der Schnitter, 1893
Olde, der Reformator
Die Signatur gibt an, dass Hans Olde das Bild auf seinem heimatlichen Landgut Seekamp in Schleswig-Holstein gemalt hat. Bereits im Herbst 1893 reichte er das Bild bei der Großen Berliner Kunstausstellung ein, wo es viel Aufmerksamkeit erregte. Als einer der ersten deutschen impressionistischen Maler gehörte Olde 1898 neben Liebermann zur Gründungsgruppe der fortschrittlichen Berliner Secession. 1902 wurde er als Direktor der Kunstschule nach Weimar berufen und leitete hier wichtige Reformen ein. Unter seiner Ägide wurden auch Frauen erstmalig in Deutschland zum Studium zugelassen. Gemeinsam mit Harry Graf Kessler, Henry van de Velde und Ludwig von Hofmann wirkte er am Aufbau des Neuen Weimar mit.
Der Schnitter, 1893
Kraftvolle Ernte
Im Mittelpunkt steht die kraftvolle Figur des Schnitters inmitten des Kornfelds, der die Sense mit weitausholender Bewegung schwingt. Die Gestalt ist in Untersicht wiedergegeben, wodurch sie fast monumental wirkt. Sein Gesicht ist durch den Strohhut verschattet und nicht zu erkennen. Er ist bürgerlich bekleidet mit Hose, Weste und weißem Hemd. An seiner Seite befindet sich eine weißgekleidete junge Frau in gebückter Haltung, die die Korngaben zusammenrafft und bindet. Das Blond ihres Haares unter einer weißen Kappe korrespondiert mit dem Gold des reifen Korns. Schnitter und Kornbinderin bilden eine harmonisch sich ergänzende Gruppe, die eingebunden ist in den jahreszeitlichen Ablauf der Natur.
Der Schnitter, 1893
Idealisiertes Landleben
Der Künstler führt dem Betrachter eine durchaus idealisierte Darstellung der körperlichen Mühsal der Landarbeit vor, in der Schweiß und Schmutz keine Rolle spielen. Dass Ende des 19. Jahrhunderts bereits die Industrialisierung der Landwirtschaft vorangetrieben wurde und auch der Einsatz von Erntemaschinen verbreitet war, wird hier noch ausgeklammert.