103,3 cm x 121,2 cm
Öl auf Leinwand
Copyright am
Werk:
gemeinfrei
Copyright Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
Foto: Tom
Gundelwein
David und Goliath, 1914
Legendärer biblischer Kampf
Das 1. Buch Samuel schildert die Begegnung Davids mit Goliath. Der jugendliche Schafhirte und künftige König Israels stellt sich dem Zweikampf, zu dem der furchterregende gegnerische Krieger ihn herausfordert. Als Waffe führt David nichts anderes als den Namen Jehovas und seine dürftige Steinschleuder ins Feld. Er trifft Goliath mit voller Wucht auf die Stirn – der Riese stürzt zu Boden. Dann tritt David neben den Philister, ergreift dessen Schwert, schlägt ihm den Kopf ab und tötet ihn. Als die Feinde der Israeliten sehen, dass ihr starker Mann besiegt ist, stürzen sie in wilder Flucht davon.
David und Goliath, 1914
David als bedrohliche Figur
Der Beginn des Krieges 1914 löste in Deutschland überwiegend eine nationalistische Begeisterung aus, die von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch die Künstler teilten. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg findet sich bei zahlreichen Künstlern eine Vorliebe für Kampf- und Schlachtszenen. Die junge Avantgarde fühlt sich von den Konventionen und dem Sicherheitsbedürfnis der älteren Generation eingeengt und strebt nach dem Außergewöhnlichen und der großen Gefahr. Viele antizipieren den großen Krieg. Die Figur des David kann als Stellvertreter für die Avantgarde gelesen werden: Die unterschätzte Jugend wird Kraft der Wahrheit, die sie vertritt, Sieger über die alten Strukturen sein. Diese Interpretation wird von der Tatsache unterstrichen, dass die jungen Expressionisten die spießbürgerliche Gesellschaft der wilhelminischen Epoche als „Philister“ bezeichneten. Trotz der schmalen und jugendhaften Gestalt, wirkt der verschattete Körper des David bedrohlich. Er hält das Schwert Goliaths in der Hand und ist bereit, ihn sogleich zu enthaupten. Triumphierend steht er auf dem nutzlos gewordenen Schild des gefallenen Gegners während im Hintergrund das besiegte Heer flieht, oder mit anderen Worten die erstarrten Konventionen überwunden werden.
David und Goliath, 1914
Erster Weltkrieg
Albert Weisgerber hat sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Am Abend vor der Mobilmachung hat er sich in voller Kriegsmontur vor seinen Gemälden „Rast der Amazonen“ und „David und Goliath“ fotografieren lassen, mit dem Blumenstrauß der Freiwilligen auf der Brust. Mit diesen Schlachtenbildern verabschiedet sich Weisgerber von seinem Werk. Er hat die intuitive Gewissheit, dass dies ein endgültiger Abschied sein wird. Bereits seit seinem 30. Lebensjahr hatte ihn eine Ahnung befallen, dass er eines frühen und unnatürlichen Todes sterben werde. Nun verdichtet sich diese Todesahnung. Er verlässt sein Werk, sein Atelier und wird nie zurückkehren. Als Soldat greift er nicht zu Farbe und Pinsel, sondern konzentriert sich allein auf den Kriegsdienst. Weisgerber wird am 10. Mai 1915 bei Fromelles von zwei Kugeln getroffen und fällt. „David und Goliath“ ist das letzte Bild auf seiner Staffelei.
David und Goliath, 1914
Symbolik einer Generation
Bevor Weisgerber im Herbst 1914 als Soldat in den Ersten Weltkrieg zieht, lässt er sich im Atelier in voller Uniform vor seinem Hauptwerk desselben Jahres fotografieren: „David und Goliath“. Die alttestamentarische Episode des schmächtigen israelitischen Jünglings, der mit Mut und Gottvertrauen den Riesen Goliath aus dem feindlichen Heer der Philister bezwang, hat das Lebensgefühl einer jungen Künstlerschaft illustriert, die gegen die erstarrten Konventionen der wilhelminischen Epoche ankämpfte.