151 cm x 198 cm
Öl auf Leinwand
Copyright am
Werk:
gemeinfrei
Copyright Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
Foto: Tom
Gundelwein
Badende im Raum, 1909-1910 / nach 1926
Leben jenseits der Norm
Zusammen mit seinen
Künstlerfreunden und Modellen ließ Kirchner in seinen Ateliers der 1910er Jahre
eine Welt erstehen, die sich als radikaler Gegenentwurf zu den konservativen
Idealen der wilhelminisch geprägten Gesellschaft verstand. Das Atelier ist nicht
nur Ort der ästhetischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk, sondern
zugleich ein Biotop, in dem das Künstlerkollektiv der frühen „Brücke“-Jahre
neue Lebensformen und neue Wege und Inhalte der Kunst zu verwirklichen wollte.
Badende im Raum, 1909-1910 / nach 1926
Inspiration Südsee und Afrika
Das Atelier in der Berliner Straße 80 hatte Kirchner mit eigenhändig gefertigten Möbeln und Textilien ausgestattet. Ihr exotischer Geist zeigt seine tiefgreifenden Faszination für die außereuropäischen Kulturen. Mit der Hinwendung zur Kunst der Naturvölker verband sich die Sehnsucht nach freien, unverfälschten Lebensformen. Zudem fanden sich hier Parallelen zum eigenen angestrebten Stil: vereinfachte, ausdrucksvolle Formen und eine leuchtende, vom Naturvorbild unabhängige Farbigkeit. Exotische Motive fanden vor diesem Hintergrund zunehmend Aufnahme in die Werke der „Brücke“-Künstler, die ihre Anregungen aus Büchern, aus Ausstellungen ethnologischer Museen, im Zirkus sowie bei den beliebten Völkerschauen fanden.
Badende im Raum, 1909-1910 / nach 1926
Aus alt mach neu
Das Gemälde ist in seiner heutigen Fassung – wie viele Ölbilder Kirchners aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg – das Ergebnis einer späteren Übermalung. Die frühen Leinwandgemälde wurden zusammengerollt gelagert und in den 20er Jahren von Kirchner selbst restauriert und überarbeitet. Dies führte vielfach zu weitreichenden Veränderungen ihres ursprünglichen Charakters. In Badende im Raum, zunächst mit „Bacchanale im Raum“ betitelt, änderte Kirchner nicht nur die Gesamtfarbigkeit des gezeigten Interieurs, sondern gab auch sämtlichen Akten eine neue Hautfarbe – ablesbar etwa an dem stehengebliebenen rosa Farbbereich der sich frisierenden Frau vor dem Spiegel. Das rätselhaft schwebende Gesicht neben ihrem Oberarm ist das Überbleibsel eines ganzfigurigen Männerakts, das ein Selbstporträt Kirchners war.
Badende im Raum, 1909-1910 / nach 1926
Paradiesische Verführung
Die erotische Atmosphäre der Atelierszene bestimmen nicht nur die lasziven Nackten allein. In dem sitzenden Modell mit einem Apfel in der Hand klingt – mit Blick auf Eva und die Schlange im Paradies – das Verführungsmotiv schlechthin an. Über dem Kopf der Sitzenden erscheint vor dem großen Wandspiegel die von Kirchner selbst geschaffene Skulptur eines Paares im Liebesakt. Und auch die Rundbilder des Vorhangs, den der rosa Akt im linken Bildbereich öffnet, enthalten explizit erotische Darstellungen. Zudem scheint das zurückblickende Modell die übermalte männliche Figur rechts verführerisch heranzuwinken.
Badende im Raum, 1909-1910 / nach 1926
Gebortsort des Expressionismus
Mit Ernst Ludwig Kirchners monumentaler
Atelierszene Badende im Raum
besitzt die Moderne Galerie eines der Haupt- und Schlüsselwerke des deutschen
Expressionismus.
Die vielschichtige Darstellung hat Kirchners Wohnatelier der Jahre
1909-11 in der Dresdner Friedrichstadt zum Thema. Dieser unkonventionell gestaltete Lebens-
und Arbeitsraum, in dem eine Fülle maßgeblicher „Brücke“-Werke entstand, gilt als eine der
Geburtsstätten der neuen Kunstrichtung.