58 cm x 73 cm
Öl auf Leinwand
Copyright am Werk: gemeinfrei
Copyright Foto:
Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
Foto: Tom Gundelwein
Blaues Pferdchen, Kinderbild, 1912
Kunstphilosophie und Bildsprache Marcs
Mit der Gründung des „Blauen Reiters“ war für Marc die Abkehr von der akademischen Malerei und die Hinwendung zu einer ursprünglichen Kreativität verbunden, zu einer neuen Kunst, die läutern und erlösen sollte. Mit dem Bild des Reiters ist das Pferd verbunden, als Metapher für das Wesen, das auf die Spitze eines Berges strebt. Dabei steht Blau für das männliche, herbe und geistige Prinzip. In idyllischen Szenerien wird das Tier religiös erhöht und ins Symbolische gesteigert. Mit leuchtenden Farben beschwört Marc den Einklang zwischen Kreatur und Natur, in einer paradiesischen, weil von menschlichen Fehlern freien Welt des Tieres.
Blaues Pferdchen, Kinderbild, 1912
Freundschaftsbild
Das Gemälde weist oben rechts eine Widmung auf: „Dem l[ieben]. Waltherchen Macke gewidmet – 1912“. Sie gilt dem am 13. April 1910 geborenen Sohn von August und Elisabeth Macke. Der – selber kinderlose – Franz Marc malte das Bild während eines Besuchs bei den Mackes in Bonn und schenkte es dem kleinen Walther. Durch die Widmungsinschrift wird das Gemälde zu einem Dokument der engen Künstler-Freundschaft zwischen Macke und Marc, die sich 1910 in München kennengelernt hatten und dort im Folgejahr gemeinsam mit Wassily Kandinsky den Künstlerkreis des „Blauen Reiters“ begründeten.
Blaues Pferdchen, Kinderbild, 1912
Unter den Farben
An vielen Stellen des Bildes finden sich Farbwülste von Pinselstrichen, die mit der Textur des dargestellten Motivs gar nicht in Zusammenhang zu bringen sind. Es scheint, als würde eine davon unabhängige Malerei unter dem heute sichtbaren Bild liegen. Das Röntgenverfahren, dessen energiereiche Strahlen bereits seit 1897 auch zur Untersuchung von Kunstwerken eingesetzt werden, konnte mit Blick auf dieses rätselhafte Strichbild Aufschluss geben: Nachdem man die Röntgenaufnahme um 180° gedreht hatte, trat eine Landschaft mit zwei Rehen zutage. Marc hat das Bild offenbar entweder verworfen oder aber aufgrund finanzieller Engpässe die Leinwand ein zweites Mal nutzen müssen. Dass die vormalige Landschaftsszene so deutlich erkennbar ist, liegt daran, dass Marc zu jenem früheren Zeitpunkt Bleiweißpigmente verwendete, die von den Röntgenstrahlen nicht durchdrungen werden. 1912 hingegen, als er das Bild mit der Darstellung des Blauen Pferdchens übermalte, setzte er Zinkweiß ein, das sich auf einer Röntgenaufnahme nicht eigens abbildet.
Blaues Pferdchen, Kinderbild, 1912
Der Streit um die Moderne
Der Kauf des wertvollen Gemäldes durch das Saarlandmuseum im Jahr 1956 wie überhaupt seine progressive Ankaufspolitik wurde von heftigen Anfeindungen reaktionärer politischer Strömungen begleitet. Die sogenannte Demokratische Partei des Saarlandes und die von ihr herausgegebene Zeitung „Deutsche Saar“ bedienten sich dabei noch zwei Jahrzehnte nach dem Ende der NS-Diktatur des Hetz-Vokabulars der Kampagne „Entartete Kunst“. Erst die Fürsprache des kunstkundigen Bundespräsidenten Theodor Heuss bei seinem Staatsbesuch anlässlich des Beitritts des Saarlandes zur Bundesrepublik im Januar 1957, konnte die Kritik an den Neuerwerbungen des Museumsdirektors Rudolf Bornschein ersticken.
Blaues Pferdchen, Kinderbild, 1912
Infantil
Blaues Pferdchen, Kinderbild steht beispielhaft für Marcs Ideal, nach dem alles Lebende in einem kosmischen Zusammenhang steht. Es ist eines seiner wenigen Tierkinder-Bilder. In der kindgemäßen Schlichtheit und mit seinem zärtlich-tolpatschigen Charakter vermittelt es kindliche Unvoreingenommenheit, Klarheit und Freude.