162,5 cm x 114 cm
Öl und Tempera auf Rupfen
Copyright am Werk: gemeinfrei
Copyright Foto:
Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
Foto: Raphael Maass
Blaue Frauengruppe, 1931
Bühnen-Bild
Oskar Schlemmer ist nicht nur Maler, sondern zugleich Tänzer, Choreograph und Bühnenbildner. Am Bauhaus übernimmt er zunächst die Klasse für Wandmalerei und leitet ab 1923 die Bauhaus-Bühne, wo er sein wegweisendes Konzept des „Triadischen Ballets“ fortentwickelt. Theatralische Szenarien sind auch in vielen seiner Gemälde anzutreffen. In der „Blauen Frauengruppe“ sind typisierte Modulfiguren rhythmisch über die verschiedenen Bildgründe verteilt, eingestellt in einen irrational konstruierten Lichtraum. Die Feierlichkeit der schematisierten Bewegungen und der künstlichen Choreographie seiner Bildfiguren erinnert nicht zufällig an die Aufführung eines antiken Dramas.
Blaue Frauengruppe, 1931
Menschenarchitekturen
Die idealtypisch konstruierten Kunstfiguren Schlemmers versinnbildlichen das Avantgarde-Ideal eines „Neuen Menschen“. Im Saarbrücker Bild richtet der Künstler die typisierten Gestalten in strikte Vorder-, Rücken- und Seitenansicht aus, so, als würden sie mittels ihrer Haltungen, Gesten und Blicke gleich Vektoren grundlegende Raumdimensionen verkörpern. Wie Marksteine besetzen sie die unterschiedlichen Bildrichtungen. Die zylinderförmigen Unterkörper der Frauengestalten mit den fein plissierten Röcken lassen zudem an gerillte Säulen, an architektonische Grundformen der griechischen Antike denken. Und wie stützende Bauteile schließen sie sich zu einem vielfach verbundenen, konstruktiven Verbund zusammen.
Blaue Frauengruppe, 1931
Farbiges Leuchten
Das Spektrum von Schlemmers Farben reicht von zartesten, durchscheinenden Pigmentlagen bis hin zu tiefster, geradezu abgründiger Farbkonzentration. Unkonventionelle, mit Harz und Schellack versetzte Grundierungen der Leinwände steigern die Leuchtkraft der verwendeten Farbtöne und geben dem Bild die Anmutung eines Freskos, einer Wandmalerei. Im Rahmen einer geheimnisvollen, irrealen Lichtführung hellt Schlemmer die Farbigkeit seiner Bildfiguren zu den Umrissen hin auf. So bewirkt er den Eindruck von Entkörperlichung und Entrückung und intensiviert den metaphysischen und visionären Aspekt des Szenarios.
Blaue Frauengruppe, 1931
Geheimnis der Farbschichten
In den 1950er Jahren, als man darum bemüht war, die in der NS-Zeit verfemten Maler zu rehabilitieren, ging die bedeutende „Blaue Frauengruppe“ auf zahlreiche Reisen zu Ausstellungen in ganz Europa. Die dadurch bedingten Klimawechsel und Erschütterungen gingen an dem empfindlichen Schichtenaufbau des Bildes nicht spurlos vorüber. Im Rahmen einer Restaurierungsmaßnahme 2014 wurde deutlich, dass sich hinter der vermeintlich intakten Fassade ein ausgedehntes Rissnetz in der Malschicht verbirgt. Alle Abhebungen, Fehlstellen und gelockerten Farbschollen waren unter dem OP-Mikroskop mit einer Leimlösung zu sichern, was für die rund 18.525 cm² Bildoberfläche insgesamt 55 Arbeitstage beanspruchte. Die gleichzeitig entnommenen Materialproben eröffneten spannende Einblicke in Schlemmers unorthodoxe Experimente mit Wachsbeimischungen in der verwendeten Malfarbe und Erklärungen für den heiklen Erhaltungszustand seiner Leinwandgemälde insgesamt.
Blaue Frauengruppe, 1931
Leitbild Mensch
Für Oskar Schlemmer, einen der einflussreichsten Protagonisten des legendären Bauhauses, ist die menschliche Gestalt und deren Erscheinung und Bewegung im Raum das zentrale Thema. Zeitlebens sucht der Künstler nach einer metaphysischen Welt der Urbilder, nach leitbildhaften Grundbegriffen von Mensch, Raum und Kosmos, nach einer Welt, in der Klarheit, Maß und Gesetz herrschen.