Öl auf Leinwand
78,5 x 107,5 cm
© Städel Museum / Foto: Städel Museum
Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, 1881 – 1882
Tanzende Lichtpunkte
Lichtflecken sind in, eintöniges Braun ist out! Die Impressionisten bringen Sonne ins Bild. In Deutschland allen voran: Max Liebermann. Lichtpunkte tanzen über Boden und Mauern, Sonnenstrahlen fallen durch die Bäume. Eine warme, harmonische Atmosphäre nimmt den Betrachter auf. In Wirklichkeit ist die Stimmung vor Ort wohl nicht ganz so malerisch. Sie wird vom Maler kunstvoll komponiert. Vor allem gibt es dort keine Bäume. Die hat er für das Bild einfach erfunden.
Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, 1881 – 1882
Wortlose Kritik
Rot-schwarze Kleider, weiße Hauben und Schürzen. Die Mädchen tragen Uniform, das Waisenhaus mag keine Individualisten. Ein jäher Kontrast zu Liebermanns heiterem Spiel mit Licht und Schatten. Hier scheint der Maler wortlos Kritik zu üben, wenn man die künstlerische Bedeutung der Farben betrachtet. Schwarz steht hier vermutlich für die Trauer um die Eltern. Und das Rot für die Barmherzigkeit. Die Amsterdamer Bürger bezahlen damals zwar großzügig Unterhalt für die Kinder, die Mädchen müssen dafür aber für sie Nähen.
Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, 1881 – 1882
Auch Kunst will geplant sein
Ein Bild malt man nicht über Nacht. Erst recht nicht ein Perfektionist wie Max Liebermann. In dieses Werk investiert er viel Arbeit. Lange Zeit bemüht er sich um die Erlaubnis, im Hof des Waisenhauses arbeiten zu dürfen. Immer wieder erstellt er danach Studien vor Ort und ergänzt diese in seinem Studio daheim. 1881, fünf Jahre nach der ersten Idee, beginnt er schließlich mit dem Bild in München.
Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, 1881 – 1882
Lange Gesichter
Eine friedvolle Ruhe liegt in der Luft. Die Stimmung ist harmonisch. Trotzdem wirken die meisten Mädchen sehr ernst, einige von ihnen sogar traurig. Wieso? Liebermann zeigt hier die soziale Realität. Es handelt sich schließlich um ein Waisenhaus. Die Mädchen sind dennoch ordentlich gekleidet, sie spielen und wirken entspannt. So wirbt der Maler für die damals viel diskutierte Sozialreform.
Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, 1881 – 1882
Harter Kinderalltag
Als Liebermann das Bild malt, ist die Industrialisierung noch voll im Gange. Kinderarbeit ist in den unteren Schichten normal. Waisen werden zur Arbeit gezwungen und ausgenutzt. Die Mädchen in diesem Amsterdamer Heim arbeiten täglich bis zu zehn Stunden. Lediglich mittags haben sie eine Pause. Liebermann fixiert diese Freistunde im Bild und setzt den Mädchen damit ein Denkmal.