Öl auf Leinwand, 231,5 x 151,5 cm
© Städel Museum / Foto: Städel Museum
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Große Provokation
Mit der monumentalen Darstellung verleiht der Künstler dem Privaten eine Bedeutung, die bis dahin mythologischen Szenen vorbehalten ist. Alltagsszenen oder Stillleben werden traditionell in kleineren Formaten dargestellt. Für die etablierte Kunstwelt ist das Bild ein Affront. Die Jury des Pariser Salons, der damals europaweit wichtigsten offiziellen Kunstausstellung, lehnt „Das Mittagessen“ daher 1870 entschieden ab. Erst ab 1874 ist es Teil impressionistischer Ausstellungen.
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Trautes Heim?
Liebevoll wendet sich die Mutter ihrem Kinde zu. Ein intimer Moment. Doch was hier nach trautem Familienglück aussieht, widerspricht den gesellschaftlichen Vorstellungen der Zeit. Die Dame des Hauses ist Monets Freundin Camille Doncieux. Und der kleine Junge ist Jean, ihr gemeinsames, uneheliches Kind. Monet heiratet Camille erst nachdem sein eigener Vater 1871 verstorben ist. Es ist also kein Zufall, dass ihre linke Hand größtenteils verdeckt ist. An dieser trägt man in Frankreich üblicherweise den Ehering.
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Schmackhafter Affront
Bratkartoffeln und Fisch, Salat, Brot, Trauben, Eier – und natürlich Wein. Wir sind hier schließlich in Frankreich! Der Mittagstisch steht ganz klar im Mittelpunkt als eigene kleine Welt. Mit feinem Gespür für Licht- und Schatten integriert Monet den gedeckten Tisch wie ein Stillleben in das Bild und betont damit Nebensächlichkeiten. Obwohl die Speisen heute noch äußerst appetitlich wirken, er entspricht damit nicht der damals gängigen Bildkomposition. Für die Kunstwelt eine weitere Provokation. Der Titel der Zeitung – „LE FI“ – verweist übrigens auf Le Figaro. Damit unterstreicht der Maler seine liberale Gesinnung. Das 1826 als Satirezeitung gegründete Blatt erscheint zu Monets Zeit täglich und bringt dem Bürger Politik direkt ins Haus.
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Für den Künstler reserviert
Ein Platz ist noch frei. Die Zeitung liegt schon bereit. Wo bleibt bloß der Hausherr? Dieser Stuhl ist für Monet höchstpersönlich reserviert, als würde der Künstler gleich hinter der Staffelei hervortreten und sich selbst im Bild platzieren. Obwohl Monet selbst nicht zu sehen ist, beherrscht seine Persönlichkeit den Raum. Indirekt wird das Gemälde so zum Porträt eines selbstbewussten Malers, der sein privates Glück monumental in Szene setzt.
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Zwei Seiten einer Frau
Wer ist eigentlich die elegant gekleidete Dame am Fenster? Sie wirkt geheimnisvoll und abwesend zugleich. Tatsächlich weiß bis heute niemand wer sie ist. Vermutlich steht damals Monets Freundin Camille, die selbst mit deren gemeinsamen Sohn auch am Tisch abgebildet ist, für diese Besucherin Modell. Das Bild steht wahrscheinlich symbolisch für zwei Seiten einer Frau: Die dunkel Gekleidete am Fenster stellt das Außenleben dar. Leicht distanziert beobachtet sie die Szenerie in eleganter Straßenkleidung. Die Frau am Tisch hingegen wirkt ungezwungen und entspannt. Sie steht für das Privatleben.
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Aus dem Kleinen wird mal was!
Eine Lampe, aufeinander gestapelte Bücher und ein Zylinder – diese Gegenstände sind vermutlich nicht zufällig hinter dem kleinen Jean zu sehen. Sie deuten an: der Sohn des Künstlers ist der Hoffnungsträger der Familie. Noch hat der Kleine nur einen Löffel in der Hand. Doch den schwenkt er bereits sehr bestimmt. Auch sein Blick ist stark und klar. Der ganze Stolz seiner Eltern!
Das Mittagessen, 1868 - 1869
Zauber des Moments
Kurze, schnelle Pinselstriche formen die Struktur und den Faltenwurf der Tischdecke. Monet setzt bei diesem Frühwerk die Striche noch nicht so locker und frei wie bei seinen späteren Werken. Trotzdem zeigen sich hier schon Anfänge des Impressionismus, bei dem es vor allem darum geht den Zauber des flüchtigen Augenblicks festzuhalten. „Das Mittagessen“ wird 1870 noch vom Pariser Kunstsalon abgelehnt. Vier Jahre später erscheint es zum ersten Mal in einer impressionistischen Ausstellung. Monets Malerei hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits enorm weiterentwickelt. Heute gilt Monet als Inbegriff des Impressionismus und einer der wichtigsten französischen Maler des 19. Jahrhunderts.