Öl auf Leinwand
147 x 209 cm
© Staatsgalerie Stuttgart / Foto: Staatsgalerie Stuttgart
Die Familie Terrasse, um 1902
Gruppenbild mit Einzelgängern
Mit seinem großformatigen Gemälde knüpft Pierre Bonnard an die Tradition des repräsentativen Gruppenbildes an. Anders als bei Rembrandt oder Goya, werden die Mitglieder der Familie Terrasse jedoch nicht mit künstlerischen Mitteln zu einer Gemeinschaft verbunden. Sie bleiben Individuen, existieren nebeneinander her und scheinen im Raum zu schweben.
Die Familie Terrasse, um 1902
Kein klassisches Familienbild
Der Hausherr Claude Terrasse sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen neben seinem ältesten Sohn Jean auf einer Gartenbank. Zu seinen Füßen kauert ein schwarzer Hund. Im klassischen Familienbild verstärkt der treue Hund die Rolle des Vaters als Mittelpunkt und Regent der Familie. Bonnard dagegen löst die Züge seines Modells in ein nahezu abstraktes Gefüge aus Farbe und Form auf. Der Vater ist weder der Mittelpunkt des Bildes noch der seiner Familie.
Die Familie Terrasse, um 1902
Grenze zur Karikatur
Im Mittelpunkt des Bildes sitzt nicht die Hausherrin, sondern eine Nachbarin und enge Freundin der Familie: Madame Prudhomme unterhält sich mit Bonnards kleinem Neffen Charles, der später eine Biographie über seinen Onkel schreiben wird. Die malerische Wiedergabe des Gesichts der bürgerlichen Dame mutet wie eine Karikatur an: Nase und Kinn streben unverhältnismäßig nach oben. Zeitgenössische Kritiker beschreiben Gesichter wie dieses als „bizarre soziale Karikaturen.“
Die Familie Terrasse, um 1902
Einblicke in ein Puppenhaus
Die geöffneten Läden und Fenster erlauben Einblicke in das Haus der Familie. An einem Fenster ist eine Hausangestellte mit einer Schüssel in den Händen zu sehen. An der Terrassentür ist schemenhaft Renée zu erkennen, die älteste Tochter des Ehepaars Terrasse. Beide Figuren zitieren die Tradition des Familienbildes. Bonnard interessieren diese Personen jedoch nur rein malerisch, als Gelegenheit, leuchtende Farbformen von hoher Abstraktion zu schaffen.
Die Familie Terrasse, um 1902
Die schlafende Katze
Neben dem treuen Hund gehört auch die Katze zum klassischen Repertoire des Familienbildes. Sie zählt zur weiblichen Seite der Familie. Bonnard zeigt sie mit ihrem Nachwuchs. Er verwandelt das schlafende Muttertier und ihr Junges in launige Flächenornamente ohne Tiefe. Die Plastizität der Körper muss sich der Betrachter aus seinem Erfahrungsschatz herleiten. Die Katzen liegen zu Füßen von Monsieur Prudhomme, Ehemann der Dame im Zentrum des Bildes.
Die Familie Terrasse, um 1902
Der Einfluss Japans
Alles ist Muster! Über das leuchtend blaue Kleid der Madame Prudhomme laufen weiße Applikationen. Neben ihr sitzt, fast unscheinbar, die Hausherrin, Bonnards Schwester Amedée Terrasse. Sie trägt ein Kleid mit weiß-rotem Fischgrätenmuster. Mit gesenktem Kopf scheint sie sich mit einem weißen Kätzchen zu beschäftigen. Hinter den beiden so unterschiedlichen Frauen ragen lange, pflanzenartige Fransen wie eigentümlich bewegte Haare in die Luft. Das unvermittelte Nebeneinander dieser unterschiedlich bewegten Flächenornamente verrät, wie intensiv sich Bonnard mit der ostasiatischen Kunst und vor allem mit dem japanischen Farbholzschnitt auseinandersetzt.