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Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782)

Wilhelmine Encke, Gräfin Lichtenau, 1776

Werben um Anerkennung

Wilhelmine Encke gab ihr Porträt bei Anna Dorothea Therbusch in Auftrag – einer ebenfalls außergewöhnlichen Frau und erfolgreichen Künstlerin. In dieser Pose und Robe, umgeben von Jagdmotiven, die dem Adel vorbehalten waren, warb die damals 23-jährige Tochter eines Musikers um ihre Anerkennung am preußischen Hof. König Friedrich der Große (1712-1786) akzeptierte sie schließlich als offizielle Mätresse seines Neffen und Thronfolgers Friedrich Wilhelm II. und finanzierte ihr ein abseits der Hauptstadt gelegenes Haus, „in welchem sie würdig repräsentieren kann“. Im Zeitalter des Absolutismus waren Mätressen eine feste Größe an europäischen Höfen. Während die fürstliche Ehefrau die Hierarchie, Etikette und fromme Gesinnung des Hofes repräsentierte, verkörperte die Favoritin eine Gegenwelt der Schönheit, Bildung, Geselligkeit, Lebenslust und Liebe.

Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782)

Wilhelmine Encke, Gräfin Lichtenau, 1776

Angesehene Porträtistin

Anna Dorothea Therbusch, hoch geschätzte Porträtistin in der Berliner Gesellschaft und beim preußischen Adel, schuf Wilhelmine Enckes Bildnis in monumentaler Größe. Sie hatte das Handwerk des Malens bei ihrem Vater, dem Hofmaler Georg Lisiewski, gelernt. Als Ehefrau eines Gastwirts und Mutter von fünf Kindern stellte sie ihre Begabung aber zunächst zurück und widmete sich erst ab ihrem 40. Lebensjahr ganz der Malerei. Nach Stationen an den Fürstenhöfen in Stuttgart und Mannheim ging sie nach Paris. Dort gelang ihr als einer von wenigen Frauen überhaupt 1767 die Aufnahme in die wichtigste europäische Kunstakademie der Zeit: die Pariser Académie Royale de Peinture et de Sculpture. Ein Jahr später kehrte sie nach Berlin zurück. Ihre Gemälde signierte sie nun mit Peintre du Roi de France, was vom begründeten Selbstbewusstsein der Malerin zeugt.

Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782)

Wilhelmine Encke, Gräfin Lichtenau, 1776

Ein Hauch von Erotik

Wilhelmine Encke sitzt lässig und doch elegant zurückgelehnt in einem Sessel – eine junge Dame in der Mode ihrer Zeit. Der Hut mit Straußenfedern sitzt korrekt, ebenso die Frisur. Dagegen ist das enganliegende Oberteil des dreiteiligen Kostüms aus fließendem lachsfarbenen Stoff leicht derangiert. Die obere Knopfleiste ist geöffnet, das seidig weiße Brusttuch verrutscht. Darunter blitzt eine Brustwarze: ein Hauch von Erotik mit Irritation, hervorgerufen durch den Farbgleichklang zwischen den schimmernden Textilien und der weißen Haut – vielleicht eine spielerisch kecke Verabredung zwischen Modell und Malerin?

Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782)

Wilhelmine Encke, Gräfin Lichtenau, 1776

Die Jagd nach der Liebe ist vorbei

Vor den Hintergrund einer romantischen Waldlandschaft ist Wilhelmine im Jagdkostüm der strahlende Mittelpunkt des Gemäldes. Der Jagdhund scheint ihr seine Treue zu versichern. Weitere Jagdmotive finden sich im dunkel gehaltenen Umfeld. Rechts außen geht der Blick in einen romantischen Wald. Hinter der Porträtierten sprudelt das Wasser einer Quelle aus einem Rohr im Fels. Darüber turtelt ein Taubenpaar. Am linken Bildrand lehnt das Jagdgewehr. Davor liegt die erlegte Beute. „Das Ziel ist erreicht und die Jägerin ruht an der Quelle der Liebe“, fasst eine Interpretation die Botschaften des Bildes zusammen.

Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782)

Wilhelmine Encke, Gräfin Lichtenau, 1776

Italien nach Preußen geholt

Wilhelmine nahm Einfluss auf Kunst und Kultur in der Berlin-Potsdamer Schlösserlandschaft, vor allem bei der Gestaltung von Innenräumen. In Berlin tragen die Winterkammern im Schloss Charlottenburg und das Schlösschen auf der Pfaueninsel ihre Handschrift. Für das Marmorpalais im Neuen Garten in Potsdam brachte sie Mobiliar und Kunstwerke von ihrer Italienreise 1795/96 mit und führte den Frühklassizismus in Preußen ein. Ihr Porträt von Anna Dorothea Therbusch ist im Marmorpalais zu bewundern.