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Antoine Watteau (1684 – 1721)

Das Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint (L’Enseigne), 1720/21

Vom Aushängeschild zum Kunstwerk

Ein akkurat gezogener Schnitt mitten durch das wertvolle Gemälde – was war passiert?

Als Reklametafel hing das dem Rundbogen über dem Ladengeschäft angepasste Bild nur kurze Zeit auf der Seine-Brücke in Paris. Es wurde abgenommen, im Format verändert, durch einen unbekannten Maler oberhalb des ursprünglichen Bogens ergänzt und schließlich in zwei Hälften geteilt. So gelangten die bei Sammlern begehrten Pendants in den Kunsthandel und 1746 als zwei eigenständige Gemälde in den Besitz Friedrichs des Großen. Erst 1930 fügte man anlässlich einer Ausstellung die beiden Bilder dauerhaft in einem Rahmen zusammen. In jüngerer Zeit ermöglichten naturwissenschaftliche, maltechnische und kunsthistorische Untersuchungen eine Rekonstruktion des tatsächlich von Antoine Watteau geschaffenen Gemäldes.

Antoine Watteau (1684 – 1721)

Das Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint (L’Enseigne), 1720/21

Anmut und Galanterie

Eine junge Frau in eleganter rosafarbener Seidenrobe betritt vom Straßenpflaster aus das Geschäft des Kunsthändlers, eine ideale Welt der Schönheit und des Luxus. Da erweckt ein Angestellter ihre Aufmerksamkeit: Er packt ein Brustporträt Ludwigs XIV., eine Variante von Hyacinthe Rigauds Krönungsporträt des Königs, mit bereits eingewickeltem Rahmen in eine mit Stroh ausgekleidete Holzkiste. Watteau malte das Bild 1720, also 5 Jahre nach dem Tod Ludwigs XIV.. Es ist die Zeit des Régence. Politisch meint dies die Regentschaft für den minderjährigen König Ludwig XV., in der Kunst die Epoche des Übergangs vom Barock zum Rokoko. Die Dame mit der charakteristischen „Watteau-Falte“ im Rücken ihrer „robe volante“ würdigt den jungen Mann, der ihr zuvorkommend die Hand reicht, keines Blickes. Und doch bilden beide ein typisches galantes Paar, wie es viele Gemälde und Zeichnungen Watteaus prägt.

Antoine Watteau (1684 – 1721)

Das Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint (L’Enseigne), 1720/21

Kultivierte Geschäftigkeit

Die beiden Figurengruppen auf der rechten Seite zeigen sich jeweils konzentriert dem Warenangebot zugewandt. Ganz außen führt eine junge Verkäuferin hinter dem Tresen in einem kleinen Standrahmen vermutlich einen Spiegel oder ein kleines Kunstwerk vor. Während sich zwei Männer in dessen Betrachtung vertiefen, scheint die elegante Frau neben ihnen mehr mit den Toilette-Utensilien im rotlackierten Kasten zu liebäugeln. Dicht daneben, aber unabhängig davon präsentiert ein Kunsthändler einem älteren Paar ein großes ovales Gemälde. Der Mann kniet auf seinen Stock gestützt vor dem Bild, um die Frauenakte darauf besser betrachten zu können. Die schwarzgekleidete Frau, ihren Fächer wie einen Zeigestock in der Hand haltend, untersucht das gemalte Blattwerk.

Antoine Watteau (1684 – 1721)

Das Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint (L’Enseigne), 1720/21

Ironische Bildzitate

Weitere Geheimnisse des „Firmenschilds“ verbergen sich an den Wänden. Die meisten Gemälde haben reale Vorbilder. Mit seinen Paraphrasen würdigte Watteau ältere, von ihm geschätzte Maler. Er präsentierte eine Auswahl von Gemälden, die den Vorlieben der Pariser Kunden in dieser Zeit entsprachen. Gleichzeitig zeigte er seine Könnerschaft, sich unterschiedlicher Stile zu bedienen. Und nicht nur das: Bei genauem Hinsehen lassen sich Verbindungen ziehen zwischen den Darstellungen an den Wänden und den Menschen im Laden. So wirkt der vor einem Kreuz betende Kartäusermönch oberhalb des ovalen Bildes wie ein ironischer Kommentar zu dem im Geschäft vor dem Bild knienden Bewunderer gemalter Nacktheit.

Antoine Watteau (1684 – 1721)

Das Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint (L’Enseigne), 1720/21

Randfiguren

Unbeteiligt am lebhaften Geschehen im Ladengeschäft wartet ein einfach gekleideter Mann mit einem auf den Rücken geschnallten Tragegestell neben dem Laden auf die wegzuschaffende Kiste. Der Hund auf dem Straßenpflaster am unteren rechten Bildrand ist eine Hommage an Peter Paul Rubens. Watteau hatte dieses Zitat nach dem Reproduktionsstich von Rubens’ „Krönung der Maria de’ Medici“ schon in seinem um 1718/1719 entstandenen Gemälde „Die Annehmlichkeiten des Lebens“ verwendet.