Öl auf Leinwand
Höhe: 91 cm; Breite: 71 cm
© Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Wolfgang Pfauder
Hafen, 1815/16
Heimatverbunden
Caspar David Friedrich wurde 1774 in Greifswald geboren und kehrte Zeit seines Lebens oft in seine Geburts- und Heimatstadt zurück, obgleich er zur Zeit der Entstehung des Gemäldes längst in Dresden lebte. Bei jedem Besuch erkundete er die Hansestadt mit ihrem bedeutenden Ostseehafen und wanderte in ihrer Umgebung. Dabei skizzierte er Motive für seine Malerei, die er, zurück im Dresdner Atelier, auf die Leinwand brachte. So auch bei dieser Hafenansicht, die er nach einem Greifswald-Besuch im Spätsommer 1815 anfertigte.
Hafen, 1815/16
Geburtstagsgeschenk für einen Prinzen
Der große Erfolg Caspar David Friedrichs ist einem jungen preußischen Prinzen zu verdanken: Der kunstbegeisterte Kronprinz Friedrich Wilhelm (1795-1861, der spätere König Friedrich Wilhelm IV.) entdeckte 1810 im Alter von gerade einmal 15 Jahren Friedrichs Bildpaar „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ auf einer Ausstellung und war von der Radikalität der Landschaftsdarstellungen vollkommen überwältigt. Er bat seinen Vater König Friedrich Wilhelm III., ihm die Gemälde zu kaufen, die fortan im Kronprinzenpalais hingen. Sechs Jahre später, im Oktober 1816, machte der Vater seinem Sohn erneut eine große Freude: Zum 21. Geburtstag schenkte er ihm diese Hafenansicht.
Hafen, 1815/16
Der Hafen als Gleichnis
Man kann sich den Maler Caspar David Friedrich als einen etwas schwermütigen, in jedem Fall sehr nachdenklichen Menschen vorstellen. So ging es ihm bei seinen Landschaftsbildern nicht um die reine Abbildung der Wirklichkeit. Vielmehr wollte er die großen Fragen der Menschheit – Geburt, Tod, Diesseits, Jenseits – in seinen Motiven verhandeln. Häfen waren für ihn immer besonders bedeutungsvoll aufgeladene Orte, symbolisieren sie doch den Ausgangs- und Endpunkt der Lebensreise. Er malte sie, wie auch hier, oft am Abend. Die Schiffe sind heimgekehrt und abgetakelt, die Stimmung ist friedlich. Zugleich versinnbildlicht das Motiv des Hafens auch das Lebensende. Das Ruderboot mit der Besatzung im Vordergrund scheint jedoch gerade aufzubrechen, vielleicht auch die Schiffe am Horizont? Und liegt das große Schiff auf der rechten Seite nicht auch mit dem Bug in Richtung Meer? Wo mag es sie hinführen? Auf das Abenteuer Leben oder von der diesseitigen irdischen Existenz ins Jenseits?
Hafen, 1815/16
Die Kunst liegt im Detail
Filigran und außerordentlich minutiös malte Friedrich die Masten und das Tauwerk der Segelschiffe. Doch er war nicht nur ein meisterhafter Maler, sondern ein ebenso außergewöhnlich begabter Zeichner. Grundlage seiner Gemälde sind nämlich zahlreiche Bleistiftskizzen, die er anschließend zu einer Komposition zusammenfügte. So gut wie nie zeigen seine Gemälde die reine Nachahmung einer wirklichen Szene. Bevor er zu den Ölfarben griff, übertrug Friedrich die Zeichnungen akribisch auf die Leinwand, was in Untersuchungen seiner Gemälde nachgewiesen werden konnte.
Hafen, 1815/16
Über uns – die Unendlichkeit
Himmelsdarstellungen schenkte Friedrich in seinen Gemälden stets eine besondere Aufmerksamkeit. Hier erhebt sich das abendliche Firmament in glühenden Gelb-, Orange- und Rottönen über den Hafen. Es zeugt von der Weite, der Unermesslichkeit der Natur, die alles Irdische und von Menschenhand Geschaffene – sogar gewaltige Segelschiffe – klein und bedeutungslos erscheinen lässt.