Spsg Johanngeorghintz Kunstkammerregal Ohne Rahmen Minimum

Johann Georg Hinz (um 1630 – 1688)

Kunstkammerregal, um 1666

Täuschend echt

Das „Kunstkammerregal“ ist in augentäuschender Perspektive als Trompe-l’œil-Malerei angelegt. Auf den ersten Blick wirkt das großformatige Gemälde, als wären die präsentierten Stücke Teile eines Kunst- und Naturalienkabinetts: dreidimensional, in Originalgröße, zum Anfassen nah. Illusionistische Malerei schafft Irritation darüber, wo das Gemalte beginnt und die Wirklichkeit endet. So täuschen barocke Deckengemälde oft Kuppelgewölbe vor und Scheinarchitekturen ermöglichen Ausblicke auf Fantasielandschaften.

Johann Georg Hinz (um 1630 – 1688)

Kunstkammerregal, um 1666

Kunst- und Wunderkammern

Rüst-, Kunst- und Wunderkammern: Im 16. und 17. Jahrhundert wurde an europäischen Fürstenhöfen gesammelt, was es aus der weiten Welt an Neuem zu entdecken und zu bewundern gab: Kurioses, Fremdes, Schönes, Rares, Seltsames aus den Bereichen Natur, Kunst und Wissenschaft. Die Naturalia und Artifcialia, Natur- und Kunstobjekte unterschiedlicher Herkunft, dienten der Repräsentation – und verhalfen zu neuen Erkenntnissen und zu mehr Wissen. Im 18. Jahrhundert wurden die Kunstkammern aufgelöst. Viele Objekte fanden Eingang in die neu gegründeten, spezialisierten Museen.

Johann Georg Hinz (um 1630 – 1688)

Kunstkammerregal, um 1666

Drehmoment

Johann Georg Hinz porträtierte keine existierenden Kunstkammerregale. Er füllte die Fächer auf seinen Gemälden mit Objekten, die er von anderen gemalten oder grafischen Darstellungen kannte oder im Original gesehen hatte. Zentral zieht der große Elfenbeinpokal mit Deckel die Blicke an, ein Werk von Joachim Henne, einem der besten Elfenbeinschnitzer des Barock. Um 1663-1665 war er gleichzeitig mit Hinz in Hamburg tätig. Dargestellt sind Szenen eines Putten-Bacchanals. Was die Augentäuschung nicht schafft, nämlich den Pokal zu drehen, hat der Maler übernommen. Er übertrug die nicht sichtbare Seite des Pokals auf den Elfenbeinhumpen im Fach links daneben: Der trunkene Bacchus wird von Putten gestützt und getragen.

Johann Georg Hinz (um 1630 – 1688)

Kunstkammerregal, um 1666

Gemäldekomposition

Formen, Farben und Materialien der vielfältigen Objekte nehmen aufeinander Bezug. Sie sind Gestaltungselemente der weitgehend symmetrisch angelegten Komposition. Lichteinfall und Schattenwurf unterstreichen den Trompe-l’œil-Effekt, sodass man meint, ein echtes Regal zu betrachten.

Johann Georg Hinz (um 1630 – 1688)

Kunstkammerregal, um 1666

Den sinnlichen Freuden wie Liebe, Genuss, Schönheit und Reichtum, die einige dieser kostbaren Stücke symbolisieren, werden Objekte mit Vanitas-Symbolik gegenübergestellt. Taschenuhren und Miniatur-Totenköpfe erinnern an die Vergänglichkeit des Irdischen und die begrenzte Zeit des Lebens.

Johann Georg Hinz (um 1630 – 1688)

Kunstkammerregal, um 1666

Wertschätzung der Kunstfertigkeit

Das Bild vereint alle drei Sammelgebiete der Kunst- und Wunderkammern. Die Taschenuhren vertreten die Wissenschaft. Gehäuse der Triton-, Kauris- und der prächtigen Nautilusschnecken sowie ein Korallenbaum repräsentieren die Naturalia. Perlenketten und Korallenschmuck zählen wie die meisten anderen Objekte im Regal zu den Artificialia. Diesen kunstfertig von Menschenhand bearbeiteten und zu neuartigen Kunstwerken gestalteten Objekten galt zur Schaffenszeit des Malers die höchste Wertschätzung.