Degas Orchestermusiker 3000 Min

Edgar Degas (1834 - 1917)

Die Orchestermusiker, 1872

Nachträglich angestückelt

Eine feine Naht zieht sich horizontal durch das Bild. Wer genau hinsieht, erkennt: Über den Köpfen der Musiker hat Degas Leinwand nachträglich angestückt. Ursprünglich sind auf dem Bild außer dem Orchester nur die Unterkörper der Tänzerinnen zu sehen. Doch zwei Jahre später macht sich der Maler erneut ans Werk. Jetzt geht es ihm vor allem um eins: den Kontrast zwischen Tänzerinnen und Musikern. Er schmälert das Bild an beiden Seiten und setzt oben rund 20 Zentimeter Leinwand an. Dann stellte er es fertig – so, wie wir es heute kennen.

Edgar Degas (1834 - 1917)

Die Orchestermusiker, 1872

Ein Faible für Tänzerinnen

Leicht und anmutig bewegen sich die jungen Tänzerinnen auf der Bühne. Abends werden sie gefeiert. Tagsüber sieht die Sache ganz anders aus. Denn was auf der Bühne so leicht erscheint, muss hart trainiert werden. Und dann schaut die bürgerliche Gesellschaft auch noch auf die „Ballett-Ratten“ herab. Trotzdem ist der Beruf beliebt. Mädchen aus der Pariser Unterschicht bietet er die Chance, aus der Armut auszubrechen. Für Degas sind Tänzerinnen ein ideales Motiv. Ihn reizen die Flüchtigkeit ihrer Bewegungen, die Momenthaftigkeit der Eindrücke, die Lichtreflexe und die schwer greifbare Darstellung des Atmosphärischen.

Edgar Degas (1834 - 1917)

Die Orchestermusiker, 1872

Inspiriert vom Japan-Trend

Kreuz und quer setzt Degas seine Pinselstriche im Hintergrund. Kraftvoll und abstrakt. „Typisch impressionistisch“, würden wir heute sagen. Das Bild erinnert aber zugleich ein wenig an einen japanischen Farbholzschnitt. „Japonismus“ ist in den 1870ern in Frankreich modern. Auch Degas begeistert sich für die japanische Farbholztechnik und lässt sich von ihr inspirieren. In diesem Werk lässt sie sich aber nur vermuten.

Edgar Degas (1834 - 1917)

Die Orchestermusiker, 1872

Zwei Welten, eng verknüpft

Klare Kontraste: Die obere Welt ist hell, leichtfüßig – und weiblich. Degas hat die Tänzerinnen in zarten Farben skizzenhaft getupft. Die untere Hälfte des Bildes ist männlich dominiert. Die dunkel gekleideten Musiker im Orchestergraben wirken flächig und starr. Wir sehen sie anonym von hinten. Trotz der Gegensätze malt Degas ein geschlossenes Milieu: die Welt der Pariser Theater- und Künstlerszene. Optisch verknüpft durch die weißen Kragen der Musiker und die in den Bühnenbereich hineinragenden Instrumente. Orchestermusiker, wie die Tänzerinnen auch, arbeiten zu dieser Zeit für ein Existenzminimum.

Edgar Degas (1834 - 1917)

Die Orchestermusiker, 1872

Sitzt Degas im Orchestergraben?

So schaut es zumindest aus. Mit diesem perspektivischen Kniff zieht der Maler den Betrachter hinein ins Geschehen. Er verstärkt damit die lebendige Wirkung des Bildes und macht schnappschussartig sichtbar, dass auch vor der Bühne professionell gearbeitet wird. Degas malt im Laufe seines Lebens rund 200 Bilder zum Thema Ballett. „Die Orchestermusiker“ gehört zu den wenigen Beispielen, bei denen er Bühne und Orchestergraben miteinander vereint. Als Sohn eines wohlhabenden Bankiers rebelliert Degas mit seinem Faible für das halbseidene Milieu gegen seine großbürgerlich-hochmütige Herkunft.