St Zdf Tischbein Goetheinde Minimum

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751 – 1829)

Goethe in der römischen Campagna, 1787

Unvollendet – und doch kopiert

Weit schweifen die Augen des Dichterfürsten. Im Geiste schwebt er zwischen Gegenwart und Antike. Obwohl das Bild unvollendet ist, zählt es zu den populärsten Porträts, die es von Goethe gibt. Im Städel in Frankfurt hängt das Gemälde an einem zentralen Platz. Als Andy Warhol es dort sieht, erkennt er es gleich als Ikone. Er reproduziert das Meisterwerk in seinem typischen Pop-Art-Stil. Tischbeins Originaldarstellung gibt es inzwischen auf T-Shirts und Tassen, sogar als Briefmarke.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751 – 1829)

Goethe in der römischen Campagna, 1787

Verkörperung des Bildungsideals

Groß behütet und mit hellem Gewand zieht Goethe 1787 durch das Land. In Italien geht er auf Bildungstour. Er reist inkognito, denn „Die Leiden des jungen Werther“ haben ihn berühmt gemacht und er möchte Ruhe finden. In Rom wohnt er bei dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Der ist von Goethe beeindruckt. Er idealisiert den Dichter in seinem Porträt. Goethe wirkt elegant und weltmännisch. Ein Kenner der Antike, ein Humanist, der die Welt bereist und die Kultur schätzt. Goethes Italien-Aufzeichnungen locken heute noch Scharen von Bildungstouristen in „das Land wo die Zitronen blühen“.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751 – 1829)

Goethe in der römischen Campagna, 1787

Inspiriert von Vergangenem

Inmitten zerstörter Grabstätten der Antike: Goethe hat es sich auf einem Stein bequem gemacht. Gehüllt in den Mantel der Bildungsreisenden - reinen Männerzirkeln, die damals im Ausland entstehen. Schräg hinter ihm zeigt ein Relief den Mythos der Iphigenie auf Tauris. Ein Verweis auf Goethes gleichnamiges Stück, das er unter dem Eindruck frisch gewonnener Inspirationen in Italien beendet. Der Efeu darüber deutet an: der große Dichter belebt die Vergangenheit mit neuer Kraft.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751 – 1829)

Goethe in der römischen Campagna, 1787

Zwei Linke Füße

Etwas ist merkwürdig an dem Bild. Richtig, die Beine und Füße! Das linke Bein des Dichters ist unnatürlich lang. Und er hat zwei linke Füße. Warum, darüber rätselt die Fachwelt bis heute. Vermutlich ist hier ein unerfahrener Helfer am Werk gewesen. Tischbein beginnt mit dem Bild, als Goethe in Rom bei ihm wohnt. Doch er vollendet es nicht. Später lässt der Maler das Bild in Neapel zurück. Dort gerät es in Laienhand. Der linke Fuß wird wohl einfach kopiert. Wahrscheinlich haben weder Goethe noch Tischbein das fertige Bild je gesehen.