Leibl Dasungleichepaar 2595 Minimum

Wilhelm Leibl (1844 - 1900)

Das ungleiche Paar, 1876 - 1877

Zweckverbindung

Ungleicher kann ein Paar kaum sein. Die Frau ist jung und hübsch. Der Mann alt und zahnlos. Sie sitzt steif, wie auf dem Sprung. Er legt den Arm besitzergreifend um sie und lächelt selbstzufrieden. Als wolle er sagen: „Schaut her, so jung ist meine Frau!“ Wilhelm Leibl, ein bedeutender Vertreter des Realismus, thematisiert hier einen moralischen Konflikt. Frauen sterben damals auf dem Land häufig bei der Geburt, Haus und Hof müssen weitergeführt werden. Ältere Bauern suchen sich daher oft wesentlich jüngere Frauen. Das Motiv des ungleichen Paares hat Vorläufer in der deutschen und niederländischen Kunst.

Wilhelm Leibl (1844 - 1900)

Das ungleiche Paar, 1876 - 1877

Des Malers kecke Geliebte

Herausfordernd blickt die junge Bäuerin uns an. Dem Gesicht nach hat Therese Steininger für das Bild Modell gesessen. Leibl hat mit der Tochter seiner Wirtsleute eine Liaison. Sie wird sogar von ihm schwanger, verliert jedoch das Kind. Einer Hochzeit mit dem Künstler stimmen Thereses Eltern nicht zu. Dabei ist Leibl damals erst Anfang dreißig – und bei weitem kein hässlicher Alter.

Wilhelm Leibl (1844 - 1900)

Das ungleiche Paar, 1876 - 1877

Eindeutig doppeldeutig

Auffallend phallisch liegt das Glas in der Hand der jungen Frau – schräg und nur halb voll. Das Motiv spielt auf die Sexualität zwischen den Eheleuten an. Das Bild wirkt unbequem bis ironisch. Leibl spöttelt hier. Der Ehering an der linken Hand der Bäuerin stellt jedoch alles klar. Was auch immer sie mit der Rechten tut, die Beziehung ist legitimiert. Der geschlossene Fensterladen signalisiert, die junge Frau kann der Situation nicht entkommen.

Wilhelm Leibl (1844 - 1900)

Das ungleiche Paar, 1876 - 1877

Ein Händchen fürs Detail

Licht spiegelt sich auf dem Krug und in den Gläsern. Der Teint der Bäuerin wirkt rosig und frisch, das Gesicht des Alten runzelig. Auch Details an Mieder und Stoffen sind malerisch virtuos herausgearbeitet. Leibl geht es hier nicht so sehr um eine moralische Anklage, sondern vor allem um die feine Darstellung von Atmosphäre und Details.

Wilhelm Leibl (1844 - 1900)

Das ungleiche Paar, 1876 - 1877

Ehrlicher Blick auf die Realität

Sehnsucht nach der Natur? Gibt es bereits zur Zeit der industriellen Revolution. Inmitten von Ruß und Lärm träumen viele Städter von der Reinheit und Stille des Landlebens. Bauernmotive sind Mitte des 19. Jahrhunderts äußerst gefragt. Meist werden sie allerdings folkloristisch idealisiert – mit der rauen Realität auf Hof und Acker hat das wenig zu tun! Das ist bei Leibl anders. Er zeigt das Leben, wie es ist. Der alte Mann hat keine Zähne. Die Hände der jungen Frau sind deutlich abgearbeitet.