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Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Mehr Schein als Sein?

Murillo fängt die damalige Realität nicht wie ein Fotograf ein: Er zeigt keine Porträts realer Straßenkinder, sondern wohlgenährte, gesunde Jungen und Mädchen, die trotz ihrer Armut ein glückliches Leben zu führen scheinen. Fünf von Murillos bekannten Kinderbildern gehören zum Bestand der Alten Pinakothek.

Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Wo sind die Eltern?

Ein Junge wirft die Würfel, ein anderer zählt die Augen. Die beiden sitzen vor einer Ruine, vermutlich in einer Gegend am Rand der Stadt. Auf dem Boden liegen Münzen, es geht also um Geld. Die Kinder scheinen alles um sich herum vergessen zu haben und geben sich ganz dem Spiel hin. Zu Murillos Zeit galt Glücksspiel als lasterhaft und als moralische Gefahr. Offenbar kümmert sich niemand um die Jungen – sie sind frei von erwachsener Aufsicht.

Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Neuinterpretation eines beliebten Themas

Verbirgt der Junge vorne in seiner linken Hand einen weiteren Würfel – schummelt er also? Selbst wenn dies so sein sollte: er bleibt ein Kind, das noch am Anfang seines Lebens steht und das noch leicht den rechten Weg finden kann. Viele niederländische und italienische Maler haben bereits vor Murillo in ihren Gemälden spielende Erwachsene beim Glücksspiel und beim Betrügen dargestellt. Murillo jedoch wählt für sein großformatiges Genrebild in neuartiger Weise ausschließlich Kinder als Protagonisten und nimmt so der Thematik ihre moralische Schärfe.

Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Mitgefühl wecken

Der jüngste Knabe im Bild kaut an einem Stück Brot. Wie die älteren Kinder trägt er zerrissene Kleidung – ein Zeichen seiner Armut ebenso wie seine nackten, schmutzigen Füße. Sein verträumter Blick macht es uns leicht, mit ihm mitzufühlen. Wahrscheinlich war genau dies Murillos Absicht: er engagierte sich sozial in einer der Nächstenliebe verpflichteten christlichen Bruderschaft.

Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Demonstration des Könnens

Ein Korb voller Zitronen und daneben ein zerbrochener Krug wecken Fragen: Haben die Kinder das Geld, um das sie spielen, als Obstverkäufer verdient? Oder gönnen sie sich gerade eine Pause bei einem Botengang oder bei einem Dienst als Wasserträger? Sicher sein können wir nicht. Eindeutig jedoch nutzt Murillo dieses Stillleben, um seine herausragenden malerischen Fähigkeiten zu demonstrieren: Mit gezielt gesetzten Pinselstrichen dünner Farbe charakterisiert er die unterschiedlichen Oberflächen der Früchte und des Tonkruges.

Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Die Kunst der Empathie

Der bettelnde Hund spiegelt die Situation des kleinen Jungen, zu dem er aufblickt: Jung, arm und herrenlos, ist er auf Almosen angewiesen. Murillo gibt keinen räudigen Straßenköter wieder: Wie die Kinder, so wirkt auch der Hund gesund. Mit naturalistisch wiedergegebener Haltung, Gestik und Mimik sowie sympathischen Protagonisten erleichtert Murillo dem Betrachter seiner Zeit den Zugang zu seinen Gemälden – von Anfang an waren seine Kinderbilder bei Sammlern außerhalb Spaniens sehr beliebt. So gelangten die „Buben beim Würfelspiel“ bereits Ende des 17. Jahrhunderts in die Sammlung des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel.

Bartolomé Esteban Murillo (1618 - 1682)

Buben beim Würfelspiel, um 1675/80

Leben auf der Straße

Bartolomé Esteban Murillo malt in Sevilla zu einer Zeit, als Seuchen und Hungersnöte die Stadt erschüttern. In den Gassen leben zahlreiche elternlose Kinder. Murillo macht sie zu Protagonisten neuartiger Bilder.