Öl auf Leinwand
80,4 x 130,5 cm
© Estate Beckmann / Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Pinakothek der Moderne München
Vor dem Maskenball, 1922
Der Maler
Max Beckmann platziert sich prominent im Zentrum der merkwürdig erstarrten Szene. Der Blick über die Schulter zeigt, dass er den anderen Akteuren bewusst den Rücken zudreht – als einer, der nicht dazu gehört, der sich als Einzelgänger abwendet von Familie und Freunden. Er ist gleichzeitig Chronist und hält das Gesehene in seiner Kunst fest. Durch die Augenmaske gibt er nicht allzu viel von sich selbst preis. Beckmann hat seine Position und Haltung in zahlreichen Selbstbildnissen immer wieder neu reflektiert.
Vor dem Maskenball, 1922
Die Schwiegermutter
Wie eine antike Prophetin betritt die alte Frau von rechts die Bildbühne und bringt mit einer Kerze zusätzliches Licht in die Szene. Es handelt sich um die von Max Beckmann hoch geschätzte Schwiegermutter Minna Concordia Tube. Die außerordentlich gebildete Frau verstarb unmittelbar vor der Entstehung des Werkes. Der Maler setzte ihr hier ein Denkmal. Im verlorenen Profil und mit markantem Schatten ist sie einer Skulptur gleich, abgewendet von allen Lebenden.
Vor dem Maskenball, 1922
Dr. Erich Stichel
Der Grazer Arzt Dr. Erich Stichel stellt Beckmann sich selbst gegenüber. Beckmanns Frau, die Opernsängerin Minna Tube, lebte zur Zeit der Entstehung des Gemäldes ebenfalls in Graz, wo sie in anspruchsvollen Richard-Wagner-Rollen unter Karl Böhm auftritt. Die Positionierung Stichels durch Beckmann deutet auf ein Spannungsverhältnis zwischen beiden Männern hin: Während Stichel breitbeinig auf einem Stuhl sitzt, der fest auf dem Boden steht, scheint Beckmanns gekurvten Stuhlbeinen und damit auch dem Maler jeglicher Halt zu fehlen.
Vor dem Maskenball, 1922
Frau und Sohn
Das Fenster gibt einen Blick in die Dunkelheit frei. Davor hat Beckmann seine Frau Minna und seinen einzigen Sohn Peter gesetzt. Sie ist melancholisch in sich versunken, er in ein Buch vertieft. Zu seinen Füßen sitzt eine rätselhafte Katze mit einer magischen Zahlentafel. Die Entfremdung Beckmanns zu seiner Frau, von der er 1923 bereits seit acht Jahren räumlich getrennt lebte, sowie zu seinem 15jährigen Sohn ist hier deutlich spürbar.
Vor dem Maskenball, 1922
Schlüsselmomente eines Künstlerlebens
Die geöffnete Tür ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Beckmanns Bildern. Sie suggeriert einen Zusammenhang mit einem dem Betrachter nicht zugänglichen „Außen“. Gleichzeitig schafft sie eine Erwartung: wird ein weiterer Besucher erwartet? Tritt jemand von der „Bühne des Geschehens“ ab? Der aus Schrägen bestehende instabile Bildraum findet in der Tür seine Entsprechung und wird mit ihr zum Bühnenbild. Das Theater als Sinnbild des Lebens, in dem jeder seine Rolle zu spielen hat, ist häufig Thema in Beckmanns Werken.
Vor dem Maskenball, 1922
Familienaufstellung
Max Beckmann zeigt ein verschlüsseltes Porträt seiner Familie und seines Grazer Freundeskreises. Die zwischenmenschliche Entfremdung der dargestellten Personen spiegelte seine persönliche Situation in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und den Zerfall seiner ersten Ehe.
Vor dem Maskenball, 1922
Familienaufstellung
„Vor dem Maskenball“ entlarvt das Miteinander der Menschen als hohle Maskerade, hinter der Einsamkeit und Isolation greifbar werden.