Smh Schad Christian Lotte Die Berlinerin Minimum

Christian Schad (1894 – 1982)

Lotte (Die Berlinerin), 1927/28

Schöne Berlinerin

Im April 1928 zieht Schad nach Berlin. Das Bild selbst ist noch in Wien Ende 1927 vollendet worden. Da Christian Schad dieses Porträt zum Elida-Wettbewerb „Das schönste deutsche Frauenporträt“ einreichte und dort nur Bilder aus dem Jahr 1928 zugelassen waren, wurde das Bild von ihm auf dieses Jahr datiert. Die Bezeichnung „Die Berlinerin“ geht auf eine Ausstellung in der Hamburger Galerie Bockstedt, die 1964 stattfindet, zurück.

Christian Schad (1894 – 1982)

Lotte (Die Berlinerin), 1927/28

Modernes Großstadtleben

Christian Schad zeigt Lotte als die neue selbstbewusste Frau der modernen Großstadt der 1920er Jahre. Lotte erscheint als eine typische Angestellte wie man sie in den damals vielgelesenen Gesellschaftsromanen von Irmgard Keun findet, wie zum Beispiel in ihrem Werk „Das kunstseidene Mädchen“. Mit ihrem taillierten schwarzen Jackett, der hellen durchschimmernden Bluse, die durch ein schwarzes Band gehalten wird, mit ihren dezenten Ohrringen, der modernen Bubikopf-Frisur und dem schönen makellosen Gesicht beherrscht sie souverän die optische Bildmitte.

Christian Schad (1894 – 1982)

Lotte (Die Berlinerin), 1927/28

Souverän im Nachtleben

Das elegante Ambiente einer Nachtbar umgibt Lotte, im Spiegel hinter ihr flimmern die Lichtreflexionen des Tanzparketts. Die Loge hinter ihr ist leer, niemand außer ihr ist zu sehen. Der Blick dieser jungen Frau ist selbstbewusst und distanziert. Es ist die Pose weiblicher Unabhängigkeit und Selbstsicherheit, die Schad in diesem Bild beschreibt. Lotte verkörpert das Leben der Heldinnen der Großstadt: Zum ersten Mal können Frauen in den 1920er und 30er Jahren das Leben selbstbewusst feiern und genießen.

Christian Schad (1894 – 1982)

Lotte (Die Berlinerin), 1927/28

Schönheit auf Distanz

Schad stellt bei aller Faszination für den emanzipierten Frauentyp auch deren disziplinierte Selbstinszenierung zur Schau: die kunstvolle glatte Oberfläche unterstreicht diese Schönheit auf Distanz. Die klar konturierte Strichführung und die glatte Malweise lassen das Bildnis wie poliert erscheinen. Lottes distanzierte Körperhaltung ist auch Ausdruck für die Brüchigkeit und das Prekäre des Großstadtlebens: jenseits des Rollenspiels gibt es Isolation, Leere und Entfremdung. Denn Lotte bleibt trotz der unterschwelligen erotischen Ausstrahlung unnahbar.

Christian Schad (1894 – 1982)

Lotte (Die Berlinerin), 1927/28

Neue Sachlichkeit

Auch wenn Christian Schad postuliert: “Mich interessiert der Mensch als Einzelwesen“, so schafft er mit dem Porträt Lotte eine Typisierung und in dem doppelzüngigen Glamour der Darstellung ein Gesellschaftsbild, wie es für die „Neue Sachlichkeit“ dieser Zeit bezeichnend ist.