Smh Beckmann Max Der Verlorene Sohn Minimum

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Große Hoffnungslosigkeit

Das Thema des Bildes bezieht sich auf das Lukas-Evangelium (Lukas 15, Verse 11- 32). Beckmann wählt aus dem biblischen Gleichnis den Augenblick, in dem der verzweifelte Sohn in der Fremde erkennt, dass er sein gesamtes Erbe verprasst hat. Der Mann in der Bildmitte stützt grübelnd den Kopf in die Hände und starrt niedergeschlagen vor sich hin. Er scheint jede Hoffnung auf Besserung verloren zu haben.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Im Bordell

Er befindet sich, umringt von drei exotischen Schönheiten, in einem Bordell. Die tröstende und gleichzeitig verführerische Umarmung der blonden Frau vermag ihn nicht aus seiner Starre zu lösen. Die rot emporschießenden Pflanzenstauden im Hintergrund bilden einen Gegensatz zu der Apathie des sich in der Mitte des Bildes befindlichen Protagonisten und bringen die starre Isolation seiner Verzweiflung umso intensiver zum Ausdruck.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Vorboten des Schicksals

Ebenso betont die räumlich dicht gedrängte Enge der Komposition die seelische Verfassung des verlorenen Sohnes. Die plakativ leuchtende Farbigkeit des Bildes versinnbildlicht die glitzernde Scheinwelt des Bordells, die vollbusigen Frauen verkörpern die Versuchung, der er einst verfallen ist und der er sich jetzt verweigert. Die beiden archaisch wirkenden Gesichter am rechten Bildrand erscheinen wie mahnende Beobachter, Vorboten des Schicksals, dem sich der reuige Sohn zu stellen hat.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Mann und Frau

Wie ein roter Faden zieht sich das Geschlechterverhältnis als Thema einer schicksalhaften Verkettung von Mann und Frau durch das Werk Beckmanns – ein existentielles Dilemma, mit dem er sich sein Leben lang beschäftigt. Im Juni 1946, ein Jahr vor seiner Emigration in die Vereinigten Staaten, schreibt Beckmann in sein Tagebuch: „Der kalte Zorn herrscht in meiner Seele. Soll man nie von dieser ewigen scheußlichen vegetativen Körperlichkeit loskommen. (...) Grenzenlose Verachtung gegen die geilen Lockmittel, mit denen wir immer wieder an die Kandare des Lebens zurück gelockt werden.“

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Seelische Qualen

Und weiter schreibt er in sein Tagebuch: „Wenn wir dann halb verdurstet unseren Durst löschen wollen, erscheint das Hohngelächter der Götter. – Salz leckst Du, armer größenwahnsinniger Sklave und Du tanzt lieblich und unendlich komisch in der Arena der Unendlichkeit unter dem tosenden Beifall des göttlichen Publikums. Je besser Du`s machst, umso komischer bist Du. Am komischsten sind die Asketen, die sich immer noch eine neue Sinnlichkeit im Entsagen oder Selbstpeinigung erfinden – am traurigsten der absolute Wollüstling, weil er Pech säuft statt Wasser. Halten wir uns an die Verachtung.“

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Beliebtes Gleichnis

Bereits 1918 greift Beckmann in einer Folge von sechs Gouachen das Gleichnis vom verlorenen Sohn auf. Während in dieser Fassung die Geschichte sukzessiv erzählt wird und die Bordellszene als fröhliches Feiern dargestellt wird, thematisiert Beckmann dreißig Jahre später in dem biblischen Gleichnis eine prekäre existentielle Situation: Inmitten seines lustvollen und verschwenderischen Lebens erkennt der Sohn die Hoffnungslosigkeit seiner Existenz. Der biblische Ausgang der Geschichte, der Vater, der vergebungsbereit die Heimkehr des verlorenen Sohnes erwartet, scheint nicht in Sicht.

Max Beckmann (1884 – 1950)

Der verlorene Sohn, 1949

Freundlicher Empfang

Gleichzeitig ist das Gleichnis des verlorenen Sohnes mit der persönlichen Biografie Beckmanns in Verbindung zu bringen. In einem Brief an seine erste Frau Minna Beckmann-Tube schrieb er nach seiner Ankunft in Amerika „(...) Man hat mich wie den verlorenen Sohn hier empfangen“.