Kleisterfarbe auf Grundierung auf Leinwand auf Karton auf Keilrahmen
34,3 x 28,7 cm
Foto: Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover
Copyright Foto: Sprengel Museum Hannover
Nacht-Blüte, 1938
Geheimnisvolle Blume
Nah in den Bildvordergrund gerückt, zeichnet sich die Umrisslinie einer Blume ab. Ihre orangefarbene Blüte kontrastiert mit dem sie umfangenden, dunkel leuchtenden Blau. Im rechten Bildhintergrund ist ein Fenster auszumachen, weitere schwarze Linien und grafische Strukturen sind weniger eindeutig zuzuordnen. Stehen sie für die Umrisse eines Hauses? Oder deuten sie die Situation eines Innenraumes an?
Nacht-Blüte, 1938
Der Moment der Dämmerung
Die Kleisterfarben hat Klee leicht getupft und vermischt aufgetragen – aus dem Dunkel hervorkommend, sind sie gerade noch voneinander zu unterscheiden: ein leichtes Orange, ein Rosaton, gelbliches Grün. Bildbestimmend ist das Blau, das je nach aufgetupftem Farbton eine andere Wirkung erzielt. Alles wirkt wie in den Moment der Dämmerung getaucht. Der Tag geht zu Ende, die Nacht bricht herein.
Nacht-Blüte, 1938
Zeichen der Vergänglichkeit
Bei der genauen Betrachtung der Blume ist zu erkennen, dass ihr Stängel unterbrochen ist. Klee formuliert darin ein Zeichen für die Unterbrechung des Lebensflusses und zeigt, dass der Schönheit der „Nachtblüte“ auch die Vergänglichkeit innewohnt. Die Nacht kann als Zeichen für den herannahenden Tod gedeutet werden.
Nacht-Blüte, 1938
Die wirkliche Wahrheit
Der angedeutete, hellblau schimmernde Kreis in der oberen linken Bildecke könnte für den aufgehenden Mond stehen, der die Szenerie nach und nach in sein silbriges Licht tauchen wird. Auch der Mond wird am Morgen vergehen. „Alles Vergängliche ist ein Vorschlag“ schreibt Klee, „eine Möglichkeit, ein Behelf. Die wirkliche Wahrheit selbst liegt zunächst unsichtbar zugrunde.“
Nacht-Blüte, 1938
Schicksalsschläge
„Nachtblüte“ entsteht in den Jahren eines enormen Schaffensdrangs: Sein Spätwerk ist eine der fruchtbarsten und produktivsten Werkperioden. Diese Jahre sind gleichzeitig geprägt von Schicksalsschlägen: Klees Suspendierung von der Professur an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf, sein Werk wird von den Nationalsozialisten diffamiert und in die Kategorie „Entartete Kunst“ eingeordnet. Er geht schon 1933 mit seiner Familie ins Exil, in seine alte Heimat Bern.
Nacht-Blüte, 1938
Schwere Krankheit
Ende 1935 erkrankt Klee an Sklerodermie, einer schweren rheumatischen Krankheit, bei der die Haut zunehmend verhärtet – ein weiterer Schicksalsschlag. Auch wegen der nun eingeschränkten Beweglichkeit seiner Finger greift Klee zu dickeren Pinseln und variiert seine Techniken. Er arbeitet trotz Krankheit viel.
Nacht-Blüte, 1938
Natur, Schöpfung, Kosmos
Die Themen, in denen Klee seine eigene Situation reflektiert, finden sich eingebettet in einen Kanon von Natur, Schöpfung und Kosmos. Für ihn sind sie Inspirationsquelle und die Möglichkeit gleichnishafter Darstellung großer Themen wie Krankheit und Tod.
Nacht-Blüte, 1938
Am Herz der Schöpfung
Am 29. Juni 1940 stirbt Paul Klee während eines Kuraufenthaltes in Muralto/Tessin. Ein Text von ihm aus dem Jahr 1920, in dem er seine Arbeit als Künstler beschreibt, steht auf seinem Grab in Bern: „Diesseitig bin ich gar nicht fassbar. Denn ich wohne grad so gut bei den Toten wie bei den Ungeborenen. Etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich. Und noch lange nicht nahe genug“.