Smh Klee Paul Nacht Bluete Ohne Rahmen Minimum

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Geheimnisvolle Blume

Nah in den Bildvordergrund gerückt, zeichnet sich die Umrisslinie einer Blume ab. Ihre orangefarbene Blüte kontrastiert mit dem sie umfangenden, dunkel leuchtenden Blau. Im rechten Bildhintergrund ist ein Fenster auszumachen, weitere schwarze Linien und grafische Strukturen sind weniger eindeutig zuzuordnen. Stehen sie für die Umrisse eines Hauses? Oder deuten sie die Situation eines Innenraumes an?

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Der Moment der Dämmerung

Die Kleisterfarben hat Klee leicht getupft und vermischt aufgetragen – aus dem Dunkel hervorkommend, sind sie gerade noch voneinander zu unterscheiden: ein leichtes Orange, ein Rosaton, gelbliches Grün. Bildbestimmend ist das Blau, das je nach aufgetupftem Farbton eine andere Wirkung erzielt. Alles wirkt wie in den Moment der Dämmerung getaucht. Der Tag geht zu Ende, die Nacht bricht herein.

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Zeichen der Vergänglichkeit

Bei der genauen Betrachtung der Blume ist zu erkennen, dass ihr Stängel unterbrochen ist. Klee formuliert darin ein Zeichen für die Unterbrechung des Lebensflusses und zeigt, dass der Schönheit der „Nachtblüte“ auch die Vergänglichkeit innewohnt. Die Nacht kann als Zeichen für den herannahenden Tod gedeutet werden.

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Die wirkliche Wahrheit

Der angedeutete, hellblau schimmernde Kreis in der oberen linken Bildecke könnte für den aufgehenden Mond stehen, der die Szenerie nach und nach in sein silbriges Licht tauchen wird. Auch der Mond wird am Morgen vergehen. „Alles Vergängliche ist ein Vorschlag“ schreibt Klee, „eine Möglichkeit, ein Behelf. Die wirkliche Wahrheit selbst liegt zunächst unsichtbar zugrunde.“

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Schicksalsschläge

„Nachtblüte“ entsteht in den Jahren eines enormen Schaffensdrangs: Sein Spätwerk ist eine der fruchtbarsten und produktivsten Werkperioden. Diese Jahre sind gleichzeitig geprägt von Schicksalsschlägen: Klees Suspendierung von der Professur an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf, sein Werk wird von den Nationalsozialisten diffamiert und in die Kategorie „Entartete Kunst“ eingeordnet. Er geht schon 1933 mit seiner Familie ins Exil, in seine alte Heimat Bern.

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Schwere Krankheit

Ende 1935 erkrankt Klee an Sklerodermie, einer schweren rheumatischen Krankheit, bei der die Haut zunehmend verhärtet – ein weiterer Schicksalsschlag. Auch wegen der nun eingeschränkten Beweglichkeit seiner Finger greift Klee zu dickeren Pinseln und variiert seine Techniken. Er arbeitet trotz Krankheit viel.

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Natur, Schöpfung, Kosmos

Die Themen, in denen Klee seine eigene Situation reflektiert, finden sich eingebettet in einen Kanon von Natur, Schöpfung und Kosmos. Für ihn sind sie Inspirationsquelle und die Möglichkeit gleichnishafter Darstellung großer Themen wie Krankheit und Tod.

Paul Klee (1879 – 1940)

Nacht-Blüte, 1938

Am Herz der Schöpfung

Am 29. Juni 1940 stirbt Paul Klee während eines Kuraufenthaltes in Muralto/Tessin. Ein Text von ihm aus dem Jahr 1920, in dem er seine Arbeit als Künstler beschreibt, steht auf seinem Grab in Bern: „Diesseitig bin ich gar nicht fassbar. Denn ich wohne grad so gut bei den Toten wie bei den Ungeborenen. Etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich. Und noch lange nicht nahe genug“.